Black Bodies – Feminismus, Kultur und Aktivismus

von Maren Burger

Einleitung

Die Lebenswirklichkeit Schwarzer Menschen in den USA und Deutschland wird maßgeblich durch das besondere Erleben des eigenen Körpers in der Öffentlichkeit und dem gesellschaftlichen Umgang damit geprägt. Die Bedeutung des Körpers soll daher in dieser Arbeit die zentrale Rolle spielen. Dazu möchte ich auf verschiedene Themenkomplexe eingehen, wovon Black Feminism den ersten Teil ausmacht. Die Frage ist hier wie sich das Thema Körper im feministischen Kontext darstellt und wie dieses historisch, politisch und kulturell geprägt ist.


Dieser Teil orientiert sich lose an den drei ersten Liedern des Mixtapes, die alle von Schwarzen US-Amerikanischen Künstlerinnen (Akua Naru, Nicki Minaj und Beyoncé, Solange) stammen und das Erleben des eigenen Körpers in einer weißen Mehrheitsgesellschaft auf unterschiedliche Weise thematisieren. Stichwörter sind hier Intersektionalität, selbstbestimmte Sexualität und Körperautonomie.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit Aktivismus noch allgemeiner am Beispiel der Black Lives Matter-Bewegung aus verschiedenen Perspektiven. Hier sollen Gedanken dazu entwickelt werden, wie unterschiedlich, aber doch essentiell anti-rassistische Perspektiven in verschiedenen sozialen Aktivismen sein kann und wie damit umzugehen ist.

So sind Diskriminierungen nicht nur geschlechtsspezifisch zu sehen, sondern bilden Intersektionen zwischen race, class, gender, able-bodieness, Sexualität, Alter etc.

Hier soll zum einen reflektiert werden, inwieweit weiße Unterstützer*innen dieser Bewegung beistehen können, um gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken ohne dabei Schwarzen Aktivist*innen Raum zu nehmen oder über deren Köpfe hinweg zu reden. Auch soll die Brücke zur Situation Schwarzer Deutscher geschlagen werden und inwieweit Black Lives Matter für sie relevant und wichtig sein kann. Auch sollen Parallelen zwischen Diskrimierungen und struktureller Gewalt in Deutschland und den USA gezogen werden. Dieser Block gehört thematisch zu den beiden letzteren Liedern (Macklemore und Ryan Lewis mit Jamila Lewis, SXTN).

Anmerkend zu den Schreibweisen in dieser Arbeit: Um den intersektionellen, feministischen Themen gerecht zu werden, werde ich sofern es möglich ist geschlechtsneutrale Formulierungen oder „Gender-Sternchen“ verwenden. Nur wenn es um eine bestimmte Gruppe geht, werde ich Maskulinum oder Femininum einzeln verwenden.

Außerdem übernehme ich die Schreibweise „Schwarz“ auch als Adjektiv großgeschrieben, um damit bewusst zu machen, dass Hautfarben als soziale Kategorien der Ungleichheit konstruiert sind und dass People of Color (PoC) aufgrund dessen Diskriminierung und Rassismus erfahren. Um diese Kategorien nicht unflektiert zu reproduzieren, aber trotzdem analytisch über diese sprechen zu können, verwende ich diese Schreibweise.


Teil 1: Black Feminism – Körper, Kultur und Aneignung

Körper und Intersektionalität

In einem spezifisch Schwarzen Feminismus spielt die Bedeutung des Körpers eine besondere Rolle. Der Körper Schwarzer Frauen wurde und wird in besonderer Weise Opfer weißer, patriarchaler Gesellschaftsstrukturen. Gerade in den USA spielt die Geschichte der Sklaverei noch immer eine Rolle in hegemonialen Vorstellung von Race und Gender (die besondere Rolle des Kolonialismus für Schwarze Menschen in Deutschland und Europa soll im zweiten Teil noch näher beleuchtet werden). Schwarzen Frauen fehlt trotz höchster Bildung oft die nötige Möglichkeit zur gesellschaftliche Partizipation in Form von Repräsentation am Arbeitsplatz oder in öffentlich agierenden Personen[1]. Prominente wie Beyoncé sind daher auch eher eine Seltenheit.


Wie auch Ta-Nehisi Coates in „Between the World and Me“ (2015) immer wieder betont, spielt der Komplex „Körper“ eine besondere Rolle im Erleben Schwarzer Menschen in den USA in Form einer besonderen Verletzbarkeit dieses Körpers, der nicht unter dem Schutz des Staates steht wie er eigentlich sollte. Unbewaffnete Schwarze werden dabei häufig Opfer von Polizeigewalt, die in vielen Fällen auch tödlich ist:

 „There is nothing uniquely evil in these destroyers or even in this moment. The destroyers are merely men enforcing the whims of our country, correctly interpreting its heritage and legacy.“ (Coates 2015, S.10)

Man kann hieran erkennen, dass ein rassistischer Grundton in der Gesellschaft noch immer vorhanden ist. Die US-Amerikanische Gesellschaft war durch den Sklavenhandel ein System, das auf der Ausbeutung Schwarzer Körper und deren unbezahlter Arbeit basierte. Auch nach der Abschaffung der Sklaverei offenbaren sich noch immer rassistische Strukturen, von denen die weiße Bevölkerung profitiert, auch wenn dies nicht unbedingt als solches erkannt wird. Die strukturelle Gewalt gegen Schwarze ist mit diesem gesellschaftlichen System verwoben.

Die Kategorie race wird in diesem gesellschaftlichen System naturalisiert und als unveränderlich angesehen (ähnlich wie mit Gender) und wird zur Etablierung von Hierarchien durch Kontrolle über Körper genutzt: „Americans believe in the reality of ‘race‘ as a defined, indubitable feature of the natural world.“ (ebd S.7). So werden Schwarze Körper auf besondere Weise sanktioniert und eingeschränkt in ihrer Ausdrucksweise, dem Auftreten und sogar in Bezug auf körperliche Selbstbestimmung und Unversehrtheit. In den USA haben sich beispielsweise Begriffe wie „walking while black“ oder „driving while black“ eingebürgert, die das Problem der besonderen Sanktionierung Schwarzer Körper in der Öffentlichkeit verdeutlicht. Ausdruck findet dieses Phänomen zum Beispiel in den prozentual hohen Kontrollen gegen Schwarze Bürger*innen, wodurch schon kleine Delikte wie defekte Scheinwerfer an Autos zu Festnahmen führen oder einfaches Laufen durch die Stadt schon als verdächtig angesehen wird.[2]

Für Frauen und LGBTQs kommt dazu noch der Aspekt von gender und Sexualität. Diese Verschränkung bringt eine eigene Form von Diskriminierung mit sich. Hierfür ist eine intersektionelle Betrachtung nötig, die sich mit der Verschränkung verschiedener Kategorien und der daraus resultierenden Diskriminierung auseinandersetzt. Feminismus kann sich daher nicht nur auf die Lebenswirklichkeit weißer, heterosexueller Frauen beschränken, sondern muss die verschiedenen Erfahrungen unterschiedlicher Frauen wahrnehmen. Dieses Problem des weißen Feminismus ist kein neues: bereits 1851 fragte Sojourner Truth „Ain‘t I a Woman?“ (Loewenberg 1996, S.235) in Bezug darauf, dass sie als ehemalige Sklavin einen anderen Hintergrund als die weißen Bürgerinnen hatte, die im aufkommenden Feminismus des 19. Jahrhunderts den Belangen Schwarzer Frauen so gut wie keine Beachtung schenkten. Diese Frage wurde oft zitiert, beispielsweise von bell hooks (1993) und auch von Akua Naru im Lied „The Journey“.


Daher ist es umso wichtiger, dass diese Frauen zu Wort kommen und die Situation Schwarzer Frauen aus eigener Erfahrung heraus beschreiben können. So gibt Akua Naru in ihrem Lied „The Journey“ eine Art kurzer Abhandlung der Geschichte Schwarzer Frauen, die grundlegend für den Gegenstand des Black Feminism ist, auf die ich hier kurz eingehen möchte:

In diesem Lied findet sich die Bedeutung des Körpers besonders eindringlich wieder. Akua Naru schlägt die Brücke zwischen der Verschleppung, Versklavung und Misshandlung Schwarzer weiblicher Körper dahin, dass die heutige (sexuelle) „Freiheit“ im Grunde auch nur eine durch Patriarchat und Pornografie fremdbestimmte Abhängigkeit ist. Der Sklavenhandel selbst wurde erst ermöglicht durch die unterschiedliche Bewertung von Körpern. Im Foucault‘schem Sinne bedeutet dies, dass es eine Hierarchie in der Bewertung von Leben gibt, was im drastischsten Fall eine Legitimation darüber gibt, Leben als tötbar einzustufen. Dies schrieb sich weiter fort in der Geschichte der Sklaverei, bei der Menschenleben ein Preisschild bekommen haben im wörtlichen Sinne. Schwarze Körper wurden nach „Brauchbarkeit“ geschätzt und bezahlt: „Look at this nigga-girl on iriquois/pequot earth / (turn around) you up first / Smile, teeth strong, asses my wirth / On the auction block, they say im ripe for birth, strong stock, look at my buttocks“. Mit dem Ende der Sklaverei sind die zugrundeliegenden rassistischen Mechanismen allerdings nicht aufgearbeitet worden. So sind Schwarze Menschen zwar auf dem Papier gleichgestellt, doch geändert hat sich die Situation von vielen nicht. Beispielsweise werden überproportional viele (queere) Women of Color Opfer von sexualisierter Gewalt, Alltagsrassismus und struktureller Benachteiligung, z.B. am Arbeitsplatz (Calabrese et al. 2014). Wegen dieser wirtschaftlichen Nachteile formulierte die Black-Panther-Party (BPP) ihre Kapitalismuskritik. Sie forderten eine spezifisch sozialistische Revolution in der Theorie, dass sich durch Abschaffung der wirtschaftlichen Unterschiede und des Hauptwiderspruch im marxistischen Sinn zwischen Kapital und Arbeit auch gleichzeitig die Nebenwidersprüche in Form von Rassismus und Sexismus auflösen würden. Emanzipation sollte also durch die sozialistische Revolution geschehen. Doch auch innerhalb dieser Gruppe gab es bereits die Wahrnehmung, dass Frauen nicht gleichberechtigt darin agieren konnten. Sie formulierten ihre Kritik daran als drei Probleme in der Black Panther Party: „male chauvinism, female passivity and ultra feminity (the ‚I‘m only a female‘ syndrom)“ (Black Panthers 1969, S.11). Diese Aussage lässt auf einen internalisierten Misogynismus der Frauen in der BPP schließen, da den Frauen die Schuld an ihrer eigenen Diskriminierung gegeben wurde anstatt die Hierarchien innerhalb der Bewegung zu reflektieren.

Aus diesem Verständnis heraus forderte das Combahee River Collective (1997) einen Schwarzen Feminismus, der intersektionelle Diskriminierung untersucht: „(…) we are actively committed to struggling againt racial, sexual, heterosexual, and class oppression“ (S.210). Diese Art von Feminismus soll anerkennen, dass es nicht nur um einen Kampf gegen den Kapitalismus gehen muss, sondern gleichzeitig auch gegen Rassismus und Patriarchat. Diese Überzeugung klingt auch in dem Lied „The Journey“ an; nach allem Loslösen von Apartheid, Sklaverei und Ausbeutung sind Frauen trotzdem nicht aus dem Patriarchat befreit: „Used to sing work-songs about being free / Now freedom comes wrapped in porn/ .../ Identity draped in male desire“.

Gerade in Bezug auf die Autonomie über den Körper und Reproduktionsrechte erfahren Schwarze Frauen viele Repressionen und in dieser Gruppe sind vor allem Mütter, schwangere, queere Frauen in einer besonders verletzlichen Position durch verschiedene Formen von Gewalt, die sie speziell betreffen. Besonders durch den Kolonialismus und die Sklaverei wurden Frauen of Color Reproduktionsrechte verwehrt. Dies zeigt sich unter anderem an folgenden drei Beispielen: Die Entscheidung über Heirat lag bei den (Kolonial-)Herren. Durch Vergewaltigung und sexuellen Missbrauch wurden viele Frauen auch durch ihren Herren schwanger. Die Reproduktionsarbeit auch im weiteren Sinne in Form von Haushaltsarbeit und Kinder- und Altenpflege in weißen Familien wurde auf Frauen of Color ausgelagert.

Schwarze Frauen standen nicht unter demselben gesellschaftlichen Schutz wie weiße Frauen, wodurch auch ihre Beziehung zu Schwarzen Männern eine andere war. Sie mussten viel mehr für sich selbst einstehen und waren nie wie weiße Frauen nur in die häusliche Rolle eingeordnet. Doch auch bis in die Neuzeit wurden Schwarze Frauen für Entscheidungen über ihren Körper marginalisiert (Stereotyp der „welfare queens“) oder sogar entmündigt durch Zwangssterilisation und ähnlichem. Einige Beispiele hierfür:

„In 2005, former U.S. Secretary of Education and officer of Drug Policy, William Bennett, publicly stated that aborting every Black baby would decrease crime. This neo-eugenicist statement about U.S. race relatiions corresponds with globalized „family planning“ agendas that have historically forced women in the Caribbean, Latin America, South Asia, and Africa to undergo sterilization in order to work for multinational corporations.“ (Gumbs 2016)

Das Zurückerobern der Autonomie über den eigenen Körper und Sexualität ist ein Gegenstand, der auch bei Beyoncé und Nicki Minajs „Feeling Myself“ auftaucht.

So kann die titelgebende Hook „Feeling Myself“ zum einen als ein Gutfühlen angesichts ihres Erfolgs als auch als Metapher für Masturbation dienen (Querverweis auf Nicki Minajs Lied „Come on a Cone“: „And I‘m not masturbating, but I‘m feeling myself“ [genius.com/4532363]). Dieses selbstbewusste Umgehen mit der eigenen Sexualität ist dabei aus sex-positiver feministischer Sicht ein starkes Statement, da weibliche Sexualität gerade auch in der Pop-Industrie häufig nur als „Bespaßung“ für ein männliches Publikum fungiert. Gerade im Genre des Hip-Hop finden sich häufig Frauen, die nur passiv als Deko-Objekte in Musikvideos auftauchen und dazu dienen, einerseits den Protagonisten zu überhöhen, andererseits männlichen Rezipienten Fantasien darzubieten. So ist bis heute ein „Erfolgsindikator“ neben Geld und Statussymbolen, wie viele Frauen ein Mann durch sein Auftreten und seine Berühmtheit anziehen kann. Dabei funktioniert die Zurschaustellung dieser Symbole ein wenig wie Werbung: Der männliche Zuschauer soll die Musik mit positiven Assoziationen verknüpfen und das Gefühl bekommen, dass er all das auch haben könnte, wenn er wollte. Der weibliche Körper ist in diesem Sinne nur eine kapitalistische Ware, die eine Projektionsfläche für diese Fantasien bietet. Dies geschieht vor allem dadurch, dass Schwarze Frauen so selten als handelnde Subjekte in dieser Art der Kommunikation auftreten (Kidd 2016, S.27). Nicki Minaj und Beyoncé drehen in ihrer Kollaboration den Spieß um: Sie präsentieren sich als die sexuell Aktiven, die Partner werden dabei zur Nebensache („He just wanna taste, bigging up my ego“), eine Rolle, die sonst eher den Frauen zugeschrieben wird. Gerade auch die Andeutung auf eine Sexualität, die vollkommen losgelöst von einem Partner geschieht, ist dabei ein Symbol der eigenen Unabhängigkeit.

Gerade in Bezug auf sexuelle Identität und Begehren werden Women of Color besonders häufig Opfer physischer, psychischer und struktureller Gewalt, weshalb LGTBQ People of Color eine besondere Form von Diskriminierung im Alltag erfahren. So kann ein offenes Umgehen mit der eigenen Identität als queere Schwarze Frau als revolutionärer Akt gewertet werden. Dieses „Zurückerobern“ des eigenen Körpers und der eigenen Sexualität ist umso bedeutsamer als das zwei Schwarze Frauen in diesem Lied sprechen. Der Körper Schwarzer Frauen wurde und wird bis heute auf vielfältige Weise eingeschränkt und missbraucht. So gab es während Kolonialismus und Sklaverei keinerlei Schutz vor sexualisierter Gewalt und kein Recht auf eine selbstbestimmte Form der Sexualität. (Selbst-)Liebe und Sexualität daher als politische Praxis wahrzunehmen und mit ihr die Grundlage für einen positiven Aktivismus zu schaffen, befürwortet auch bell hooks bei aller Kritik an Beyoncé. Grundlegend ist hierbei, zunächst die Probleme und Diskriminierungen als solche zu benennen: „Without a way to name our pain, we are also without the words to articulate our pleasure.“ (hooks 1992, S.2)

Bestehend bleibt aber in diesem Sinne wie von bell hooks auch zu Recht kritisiert, dass sowohl Nicki Minaj als auch Beyoncé ihre Körper in einer Weise inszenieren, die geprägt ist durch den „male gaze“, das heißt die Inszenierung dem entspricht, was heterosexuelle Männer für begehrenswert erachten (sollen). Hinzu kommt noch ein Klassenstandpunkt: durch eine gewisse finanzielle Sicherheit und Angehörigkeit zur amerikanischen Oberschicht nie auf die Probleme treffen werden, die arme PoC erleben. Gerade in den USA gibt es hier Diskriminierung auf staatlicher, wirtschaftlicher und privater Ebene, die sich zum Beispiel in schlechter Schulbildung und proportional hohen Anteilen an Gefängnisinsassen messen lassen. So kann die Selbstbestimmung über die Karriere allenthalben als „Luxusproblem“ gelesen werden.

Die Frage bleibt aber immer, wie radikal ein öffentlichkeitswirksamer Feminismus überhaupt sein kann. So wie Beyoncé für ihren öffentlichen Auftritt als selbsternannte Feministin gefeiert wurde, wurde sie an anderer Stelle auch kritisiert. Doch um überhaupt eine öffentliche Debatte über einen neuen Feminismus führen zu können, muss es auch öffentliche Figuren geben, die sich dafür aussprechen. Die Debatte mag dann zwar verkürzt und unwissenschaftlich sein, doch eröffnet sie die Möglichkeit, einem breiten Publikum gewisse Ideen nahe zu bringen. Gerade für Schwarze Frauen ist ein solches öffentliches Ansprechen von Problemen sehr wichtig, da Sexismus und Rassismus nicht überwunden sind. Leider sind nur wenige Schwarze Frauen überhaupt in der Lage, dies in der Öffentlichkeit so zu artikulieren wie Beyoncé, ohne um Karriere und die eigene Sicherheit fürchten zu müssen. Dies wiederum liegt an sexistischen und rassistischen Machtstrukturen westlicher Gesellschaften. Verknüpft mit der Assoziation des kommerziellen Erfolgs der beiden Musikerinnen sieht man auch hier das Element der Selbstbestimmtheit. Dennoch gehorchen beide auch kapitalistischen Regeln: Der Ausdruck ist vom kulturell geprägten Bild konventioneller Schönheit durchzogen und somit nicht unbedingt repräsentativ für Frauen im Allgemeinen. Auch sind die Übergänge zwischen selbstbestimmten Auftreten und der typischen Inszenierung nach den Regeln des „male gaze“ fließend. Merkmal hiervon ist: „Left passive in a narrative articulated by men who control its linguistic, social, political, and psychological power, women become objects pursued for the fulfillment of male desire“ (Dolan 2014, S.49). Die Kommerzialisierung des weiblichen Körpers wird dabei reproduziert und verfestigt so bestehende ungleiche Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau. Die Frage bleibt dabei bestehen, inwiefern man dies Nicki Minaj und Beyoncé vorwerfen kann. Sie nutzen das System zu ihrem eigenen Vorteil, aber reproduzieren es gleichzeitig. Dieses Dilemma ist aber wohl vielmehr ein gesellschaftliches, denn um im Mainstream Pop erfolgreich sein zu wollen, verlangt es ja zunächst einmal, dessen Regeln zu gehorchen wie es auch im Kapitalismus dem Folgen von Regeln bedarf, um überhaupt an einem Markt teilnehmen zu können. Diese zum eigenen Vorteil und damit auch zum Vorteil für viele andere Frauen zu machen, schaffen wiederum nur so erfolgreiche Frauen wie diese beiden.

Black Culture, Cultural Appropriation, Othering

Wegen der Verschleppung Schwarzer Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern Afrikas und der Repression gegen das Ausleben der jeweiligen Kulturen, kann in den USA kaum von „afrikanischer“ Kultur gesprochen werden. Viel mehr entstand dort eine neue spezifisch Schwarze Kultur, die zum Beispiel in Religion und Musik ihren Ausdruck fand. Beispiele dafür sind Gospel, Blues und Hip Hop. Allerdings haben oft nur weiße Künstler*innen wirklich davon profitiert, diese Stile aufzugreifen und kommerziell zu nutzen. Dies reflektiert zum Beispiel der Rapper Macklemore, der als weißer Künstlerin einem ursprünglich Schwarzen Genre erfolgreich ist: „You've exploited and stolen the music, the moment / The magic, the passion, the fashion, you toy with / The culture was never yours to make better“.


Auch im Bezug auf Körperlichkeit ist dieses Phänomen zu beobachten: Kleidungs- und Modestile werden von Weißen angeeignet, während Schwarze dafür sanktioniert werden. Ein klassisches Beispiel dafür sind Haare. Wie in Solanges Lied „Don‘t Touch My Hair“ beschrieben, haben ihre Haare noch eine tiefere kulturelle Bedeutung, für die sie immer wieder Ablehnung erfährt: 

„Don‘t touch my hair / When it‘s the feelings I wear / … / They don‘t understand / What it means to me, /
Where we chose to go / Where we‘ve been to know.“


Der Refrain kann dabei auf zwei Weisen gedeutet werden: zum einen als Mahnung, ihre Haare nicht ohne Zustimmung zu berühren[3], zum anderen dass weiße Menschen ihre Kultur nicht „anfassen“, also für sich vereinnahmen sollen.

Der Körper und die eigene Kontrolle darüber geht hier einher mit Stolz und Selbstbestimmung: wer als Schwarze Frau die Haare natürlich trägt, handelt entgegen der weißen Mehrheitsgesellschaft und deren Schönheitsidealen und Vorgaben und handelt damit auf eine Weise revolutionär, indem eine Rückbesinnung auf spezifisch Schwarze Kultur stattfindet. Dies zeigt sich am Beispiel die Haare offen zu tragen, welche jahrelang und teilweise bis heute durch staatliche Regeln „gezähmt“ werden sollen[4]. Hier sind kolonialistische Züge zu entdecken: wie auch bei Akua Naru erwähnt, wurden Schwarze Menschen aus ihrer Heimat verschleppt und versklavt, das Ausleben ihrer Kultur wurde verboten. Sie kamen aus vielen verschiedenen Ländern, weshalb heute nur wenige Schwarze Amerikaner*innen sagen können, aus welchem Land die eigenen Vorfahren stammen. So hat sich eine spezifisch Schwarze Kultur entwickelt, die sich aus der gemeinsamen Vergangenheit, Erfahrungen mit Sklaverei und Diskriminierung speist. Weiße haben versucht, diese und die ursprünglichen Kulturen zu unterbinden, erstens aus einem Überlegenheitsgefühl (Sozial-Darwinismus etc.), zweitens aus Unverständnis und einer diffusen Angst vor dem „Wilden“. Die Haare nach nicht-weißer Art zu tragen, weist auf den Ursprung aus den kolonialisierten Ländern hin, die nach wie vor als „rückständig“ und „wild“ angesehen werden. Diese Gedanken haben sich seitdem kaum geändert, wenngleich (Alltags-) Rassismus subtiler daherkommt und von vielen Weißen gar nicht als solcher bewusst wahrgenommen wird. Diese Mechanismen sind so internalisiert, dass es vielen Weißen unangenehm ist, überhaupt über das Thema Hautfarbe zu sprechen:

„Wir werden nicht in unserem Alltag an unsere Hautfarbe erinnert; wenn wir also meinen, nichts ‚gegen Schwarze zu haben‘, so glauben wir gerne, die Dethematisierung dessen wäre antirassistisch. People of Color werden jedoch in ihren alltäglichen Erfahrungen an ihre Hautfarbe erinnert, und eine Dethematisierung dessen entspräche dem Verbot, dies zu problematisieren und dem Gebot, dem weißen Glauben daran, dass wir (…) eine nicht-rassistische Gesellschaft bilden, schweigend zuzustimmen.“ (Habermann 2013, S.76-77).

Umso frustrierender ist es daher für People of Color, dass das Ausleben eigener Tradition oft sanktioniert wird, während gleichzeitig Weiße sich Aspekte davon aneignen, diese zu „Trends“ erheben und kommerzialisieren ohne den Wert und die Geschichte dahinter anzuerkennen. Dies ist in vielen Bereichen zu beobachten, beispielsweise in den angesprochenen Frisuren oder in Musikstilen (Hip Hop, Blues, Rock‘n‘Roll). Dieses Phänomen wird auch als „Cultural Appropriation“ bezeichnet. Dies lässt sich folgendermaßen definieren: „the taking – from a culture that is not one‘s own – of intellectual property, cultural expressions or artifacts, history and ways of knowledge.“ (Ziff, Rao 1997, S.1). Das soll nicht bedeuten, dass jeglicher kultureller Austausch automatisch Appropriation ist, vielmehr geht dies mit unterschiedlichen Machtpositionen und einem fehlenden Einverständnis einher. Während Minderheiten oft zu einer Assimilation mit der vorherrschenden Kultur gezwungen sind (in dem Beispiel von Solange: Schwarze Frauen, von denen verlangt wird, sich die Haare zu glätten im Job oder in der Schule), können sich Mitglieder dieser vorherrschenden Gruppe kulturelle Praktiken der anderen Gruppe ohne deren Zustimmung aneignen (Weiße Frauen, die aus Modegründen Schwarze Frisuren nachahmen). Dies hat auch politische Bedeutung:

„Politics is generally about power: who gets to control the processes for allocating scarce resources. In the context of cultural appropriation, the resources at issue are the many and varied forms of cultural production, expression, and creation.“ (ebd. S.8)

Das heißt, People of Color und vor allem Women of Color wird keine Macht über die eigenen kulturellen Errungenschaften zugestanden. Vor allem in einem kapitalistischen System, indem Macht vor allem an Geld und kommerziellen Erfolg gemessen wird, ist hier zu sehen, dass die Arbeit und Zeit, die in diese kulturellen Praktiken fließt, People of Color oft wenig bis gar nichts einbringt und weiße Menschen damit erfolgreich sein und im Mainstream damit ankommen können (die Beispiele in der Populärkultur reichen von Kim Kardashian in Bezug auf Schwarze Frisuren und Mode über Eminem im Hip Hop bis zu Elvis im Rock‘n‘Roll). Hier schreibt sich fort, dass Weiße immer noch von einem rassistischen System profitieren.

Verbunden mit dem Beispiel von Solange ist außerdem das Phänomen des „Othering“. Vermutlich gibt es verschiedene, vielleicht auf den ersten Blick „harmlose“ Gründe wie Neugier, Faszination oder Bewunderung dafür, dass weiße Menschen die Haare Schwarzer Frauen anfassen möchten. Zugrundeliegend ist aber immer die Konstruktion des „Anderen“, beeinflusst auch durch postkoloniale Vorstellungen, wer in der Gesellschaft „dazugehört“ und wer „fremd“ ist. Dies ist wiederum einhergehend mit Machtstrukturen:

„Festzuhalten ist zunächst, dass die Konstruktion von Anderen vor dem Hintergrund hierarchischer und asymmetrischer Differenzordnungen und gewaltförmiger Macht- und Herrschaftsverhältnisse erfolgt und zu deren Legitimation und Aufrechterhaltung dient. Mit dem Begriff des Othering wird die Konstruktion der_des Anderen als Prozess des ‚Different-Machens‘ markiert, der sowohl Elemente der Festschreibung, der Ausgrenzung als auch der Unterwerfung enthält.“
(Riegel 2016, S. 52)

Mit dem Anfassen-wollen geschieht also immer eine Fortschreibung der sozialen Konstruktion Schwarzer Personen als „Andere“ und damit eine Unterscheidung zwischen ingroup und outgroup sozialer Macht. Dieses Phänomen beschränkt sich übrigens nicht nur auf die USA, sondern wird auch von Schwarzen Deutschen so erlebt wie im Lied „Ich bin schwarz“ von SXTN angedeutet: „Hab‘ ich mich schon vorgestellt? Mein Name ist Nura / Vergiss mal alle Rapper, ich bin schwärzer als Tupac / Nein, du darfst meine Haare nicht anfassen“.

Zusammenfassend ist zu überlegen, wie ein inklusiver Feminismus Frauen als heterogene Gruppe verstehen kann mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen, die race, Sexualität, (dis-)ability und ähnliches betreffen. Die vorherrschende feministische Debatte wurde zu Recht als white feminism kritisiert, der intersektionelle Aspekte ausblendet und deren Politik nur einen sehr kleinen Teil an Frauen betrifft. Die Frage hierbei bleibt, inwiefern es überhaupt den Feminismus geben kann, der allen gerecht wird. Für den besprochenen Black feminism hat Körperlichkeit eine andere Rolle als beispielsweise für den Feminismus weißer Frauen. Mit dem Erleben des eigenen Körpers als „anders“, verletzbar und abgelehnt und der daraus resultierenden Diskriminierung ergibt sich ein besonderer Schwerpunkt im feministischen Aktivismus.


Teil 2: Aktivismus – Black Lives Matter, verschiedene Perspektiven und Kontexte

Black Lives Matter und die Rolle weißer Unterstützer*innen

Auch in einem größer gedachten Kontext von anti-rassistischen Aktivismus spielt der Komplex Körper eine besondere Rolle. Manche Protest- und Aktionsformen sind alleine durch den fehlenden Schutz Schwarzer Körper entstanden. Das prominenteste Beispiel hierfür ist die Black-Lives- Matter-Bewegung, die in den USA aufgrund zahlreicher Fälle von tödlicher Polizeigewalt gegen Schwarze Personen entstand und inzwischen auch hier in Deutschland einen Ableger hat.


Die allgemeine Kriminalisierung Schwarzer Menschen in der Öffentlichkeit ist ein Problem zu geringer Qualifizierung von Polizeibeamten und ist zurückzuführen auf einen gesellschaftlich verankerten Rassismus. Schwarzen Menschen wird alleine durch ihre Hautfarbe Attribute zugesprochen und somit naturalisiert. Aufgrund negativer Vorurteile werden People of Color häufiger von der Polizei kontrolliert und in den USA auch besonders häufig in Polizeigewahrsam verletzt oder sogar getötet. Ein Grund für das grundlegende Misstrauen und die überzogene Polizeihärte ist in einigen Bundesstaaten die sogenannte „Broken Windows“-Policy. Der Ausdruck geht auf das Phänomen zurück, dass Fenster von Gebäuden eher beschädigt werden, wenn bereits ein Fenster zu Bruch gegangen ist. Die Bezeichnung ist somit eine Metapher für die Annahme, dass die Kriminalitätsrate steigt, sobald auch nur eine Straftat zugelassen wurde. Um dies zu vermeiden, werden bereits kleinere Vergehen streng geahndet. Diese Form der Politik ist zum Beispiel an den hohen Zahlen an Verurteilungen und Gefängnisinsassen abzulesen, bei der viele People of Color auch für geringere Vergehen wie dem Besitz von Marihuana und ähnlichem deutlich häufiger zu langen Haftstrafen verurteilt werden als weiße Personen, die wegen derselben Vergehen von der Polizei aufgehalten wurden. All dies führt dazu, dass Schwarze Personen sich nicht auf dieselbe Art frei in der Öffentlichkeit bewegen können wie weiße Mitbürger*innen in derselben Nachbarschaft. Hinzu kommt, dass Polizeibeamte, die widerrechtlich gehandelt haben, nur äußerst selten überhaupt angeklagt werden. Dieses Erleben von Staatsversagen und der ständigen Angst um körperliche Unversehrtheit führte ab 2013 zu großen Demonstrationen und der Entstehung von „Black Lives Matter“ in den USA (Hirschfelder 2016, S.232-238).

Für weiße Personen stellt sich daher die Frage, wie man angemessen agieren und helfen kann. Darüber macht sich Macklemore Gedanken in seinem Lied „White Privilege Pt. II“.


Das Problem besteht hier wie auch im anti-rassistischen Aktivismus darin, dass es weißer Unterstützer*innen bedarf, um gesamtgesellschaftliche Veränderung möglich zu machen, aber diese gleichzeitig nicht in den Mittelpunkt rücken sollten. So bekam „White Privilege Pt. II“ bei der Veröffentlichung zwar durchaus positive Reaktionen auch von Schwarzen, doch machten viele deutlich: dieses Lied ist von Weißen für Weiße gemacht[5]. Es ist daher wichtig, Schwarze Stimmen zu dem Thema zu Wort kommen zu lassen, was Macklemore durch die Samples in Ausschnitten auch tut. Gleichzeitig befindet er sich als weißer Mann in einer Machtposition, in der er die Möglichkeit hat, Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken.

„People are more concerned with being called a racist/ than they are with racism“ heißt es in dem Lied von Macklemore. Das geht einher mit der Beobachtung von Ta-Nehisi Coates: „Race is the child, not the father of racism“ (2015, S.7). Das bedeutet, die soziale Kategorie „Rasse“ wird erst durch rassistische Konzeption überhaupt kreiert. Das heißt, bevor es ein Konzept von whiteness überhaupt gab, fand eine Gruppenbildung innerhalb der Gesellschaft entlang anderer Kategorien statt, beispielsweise ähnlicher ökonomischer Interessen.

Die Konstruktion von whiteness als Machtposition findet bereits auf staatlicher Ebene in der Schule statt, die eine Assimilationsfunktion und -wirkung hat und mit der Kontrolle über Körper einhergeht. Hier werden fast ausschließlich weiße Positionen und Lebenswirklichkeiten vermittelt und diese damit zur Norm erhoben. Diese Machtposition zu verstehen und zu hinterfragen, ist daher die Aufgabe von weißen Menschen, um eine gleichberechtigte Gesellschaft herzustellen.

Auch hier muss den Standpunkt der Intersektionalität hinzuziehen, denn auch innerhalb der Gruppe Schwarzer Menschen sind manche Gruppen wie Frauen (insbesondere auch Transfrauen), sexuelle Minderheiten, Kinder, ältere Menschen, Behinderte etc. in besonders verletzlichen Positionen. Dies gilt auch über die USA hinaus und wird von Black Lives Matter-Aktivist*innen auch so anerkannt:

„We believe in elevating the experiences and leadership of the most marginalized Black people, including but not limited to those who are women, queer, trans, femmes, gender nonconforming, Muslim, formerly and currently incarcerated, cash poor and working class, differently-abledm undocumented, and immigrant. (…) There can be no liberation for all Black people if we do not center and fight for those who have been marginalized.“ (The Movement for Black Lives, S.3)

Situation in Deutschland

In Deutschland wird das Problem des strukturellen Rassismus zu wenig beachtet und oft auch gar nicht erkannt. Ein prägnantes Beispiel staatlicher Diskriminierung von People of Color ist das Racial Profiling, das zwar offiziell nicht erlaubt ist, aber trotzdem durchgeführt wird[6]. Das heißt, dass oft People of Color nur wegen ihres Aussehens und nicht wegen eines vorliegenden Tatverdachts oder auffälligen Verhaltens von der Polizei kontrolliert werden. Im Lied „Ich bin schwarz“ von SXTN wird dies auf eine ironisch-überspitzte Art aufgegriffen, dies lässt aber Rückschlüsse darauf zu, dass Schwarze Menschen auch in Deutschland durch negative Stereotype kriminalisiert werden („Mein Bugatti fährt 410 / Schwupps – die scheiß Bullen ha‘m mich nicht geseh‘n / Ich bin schwarz“ und „Ich fahr‘ schwarz / Ich bin schwarz, ich bin schwarz / Brauchst du Gras? Ich hab‘ Gras / Is‘ kein Spaß, ich bin schwarz“).



Auch hier werden bewusst oder unbewusst einer Gruppe von Menschen bestimmte Handlungsmuster zugewiesen, die nicht pauschal auf diese Gruppe übertragbar ist. So sind „Ausländer“ statistisch nicht häufiger kriminell als gebürtige, weiße Deutsche. Wegen dieser rassistischen Vorurteile ist Racial Profiling eigentlich nicht erlaubt. Eine große öffentliche Debatte zeigte aber, dass dies polizeiintern zugelassen oder sogar erwünscht ist: Nachdem es in Köln in der Sylvesternacht 2015 zu mehreren Übergriffen auf Frauen kam, wurde eine Gruppe „nordafrikanisch“ aussehender Männer als besonders verdächtig eingestuft und daraufhin im nächsten Jahr verstärkt kontrolliert. Damit wurde angenommen, dass nordafrikanisch aussehende Männer grundsätzlich häufiger als andere Männer Täter in Fällen sexualisierter Gewalt seien. Der zugrundeliegende Rassismus wurde in dieser Debatte von der Polizei ignoriert und es wurde lediglich darauf verwiesen, dass ähnlich aussehende Männer bereits Täter geworden seien und dass die Polizei richtig gehandelt habe, indem sie die „Verdächtigen“ schärfer kontrollierten. Damit wurde das Problem von sexuellen Übergriffen einfach auf eine andere Gruppe projiziert, sodass es keine Auseinandersetzung mit diesem Problem unter „Einheimischen“ geben musste.

Neben dem Racial Profiling, ist die Polizeigewalt als solche in Deutschland wie auch in den USA ein weit verbreitetes Problem, auch wenn hier weniger Leute zu Tode kommen. Die Polizei ist in beiden Ländern mehrheitlich weiß und nicht auf (unbewussten) Rassismus geschult, gleichzeitig werden People of Color deutlich häufiger kontrolliert und Opfer von Polizeigewalt[7]. Gerne wird in diesem Zusammenhang von Leuten aus einem „anderen Kulturkreis“ gesprochen, die in Deutschland fremd seien und mit ebendieser „Kultur“ nicht zu Deutschland passen würden. Auffallend ist hier immer, dass sich der Begriff der „Kultur“ praktisch immer auf Menschen mit anderen Hautfarben bezieht, nie aber auf weiße Migrant*innen. Der Begriff „Kultur“ hat sich damit als neuer Begriff für „Rasse“ in Deutschland etabliert. Benutzt wird es fast analog, doch ist „Rasse“ im Deutschen zu sehr mit Bedeutung aus der Zeit des Nationalsozialismus verknüpft, als dass er von einer breiten Bevölkerungsgruppe noch verwendet werden könnte. Dies spiegelt das deutsche Selbstverständnis wider: 

„In der Zeit nach 1945 hat ‚Kultur‘ in Deutschland ‚Rasse‘ als dominante Differenzkategorie abgelöst. Die Konstruktion ‚der Anderen‘ als ‚kulturell andere‘ spiegelt damit das vorherrschende Verständnis von Deutschland als ‚Kulturnation‘“ (Sökefeld 2007, S.47).

Dieses Ersetzen von nationalsozialistischen Begriffen ermöglicht, den Diskurs in die Mitte der Gesellschaft zu verschieben und damit völkisches Gedankengut wieder salonfähig zu machen. Dieses Phänomen ist in den letzten Jahren deutlich zu beobachten. Durch die Akzeptanz dieser Positionen haben auch körperliche Übergriffe auf People of Color, Geflüchtete und Migrant*innen zugenommen[8]. Auch hier ist das Phänomen des Othering zu beobachten, bei dem People of Color als ausstehende Gruppe konstruiert werden, auf die negative Attribute projiziert werden und es damit ermöglicht, gleiches Verhalten in der ingroup auszublenden. Dies stärkt die Machtposition der ingroup und schwächt die outgroup.

Zugrunde liegt diesen Phänomenen auch heute noch eine ungenügende Aufarbeitung der deutschen Beteiligung im Kolonialismus. Diese wird oft kleingeredet oder sogar wie damals auch sozial-darwinistisch begründet damit, dass man den „Wilden die Zivilisation gebracht“ und Deutschland  „keine große Rolle im Kolonialismus“ gespielt habe. Dem steht Folgendes entgegen:

„Die kritische Aufarbeitung des Kolonialismus ergibt ein anderes Bild: statt Fehden (sofern diese überhaupt stattfanden): Vernichtungskriege durch die Kolonisatoren. (…) Straßen und Eisenbahnen: mit Schwarzer Zwangsarbeit erbaute Infrastruktur zur Ausplünderung des Landes (…) Deutsche Ärzte in der Bekämpfung der Tropenkrankheiten? Der Mediziner Robert Koch, (…) konnte in Deutsch-Ostafrika nach der Politikreform unter dem Vorzeichen der neu entdeckten Sorge um die Kolonisierten ungehindert und ohne Einwilligung der Kranken an diesen herumexperimentieren.“ (Habermann 2013, S.54-55)

Auch hier befand man Schwarze Leben und Körper als nicht schützenswert und errichtete ein System das komplett auf Ausbeutung dieser aufgebaut war. Verantwortung dafür hat der deutsche Staat bis heute nicht übernommen. Es gibt hier zwar vielleicht nicht eine verbindende Schwarze Kultur der ehemals Kolonisierten wie in den USA, aber die Vorurteile gegenüber Schwarzen werden auch hier weiter unreflektiert reproduziert und Schwarze Menschen werden marginalisiert. Um die Situation zu verbessern, muss daher koloniales Denken als solches erkannt werden und diese oftmals unbewussten Strukturen aufgedeckt werden.


Fazit

In Deutschland und den USA wachsen Schwarze Menschen  damit auf, dass ihre Körper in der Öffentlichkeit anders als weiße Körper behandelt werden. Sie werden als „anders“ wahrgenommen, als verdächtig und im schlimmsten Falle als nicht lebenswertes Leben. Dies führte und führt bis heute zu struktureller und Polizeigewalt, zu Verweigerung von Reproduktionsrechten, fehlender Möglichkeit zu gesellschaftlicher Partizipation und Marginalisierung. Ein intersektioneller Ansatz zeigt, dass zum Attribut race noch viele verschiedene Kategorien und Ebenen hinzukommen, die eine besondere Rolle für feministischen und anti-rassistischen Aktivismus spielen. Diese wurden von weißen Feministinnen lange nicht (an-)erkannt, wodurch sich ein spezifischer Black feminism entwickelt hat. Dieser nimmt auch Diskriminierungen gegen Schwarze Körper in den Fokus und kämpft für die Selbstbestimmung darüber. Auch Black Lives Matter ist als intersektionelle Bewegung anzusehen nach dem Grundsatz „We are not free until all Black people are free“.


Um Schwarzen Menschen in diesem Kampf beizustehen, müssen Weiße ihre Machtposition und Privilegien reflektieren, Kolonialismus und Sklaverei aufarbeiten, die daraus resultierenden Denkmuster aufdecken und bekämpfen.

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Literaturverzeichnis

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https://www.tagesschau.de/inland/bka-fluechtlingsunterkuenfte-statistik-101.html zuletzt abgerufen 28.09.2017

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[1] http://www.diversityinc.com/featured-partners/black-women-discriminated-every-way-report/

[2] Beispiel Fall von Walter Scott, der nach eine Verkehrskontrolle erschossen wurde: https://www.welt.de/politik/ausland/article139295627/Video-zeigt-willkuerliche-Todesschuesse-auf-Schwarzen.html; Essay von Garnette Cadogan über „Walking while Black“: http://lithub.com/walking-while-black/

[3] Erfahrungen einer Schwarzen Frau mit (meistens weißen) Menschen, die ihre Haare anfassen möchten und mögliche Erklärungen dazu: https://everydayfeminism.com/2015/09/dont-touch-black-womens-hair/

[4] Schülerinnen aus Südafrika gegen rassistische hair policy: https://www.theguardian.com/world/2016/aug/29/south-africa-pretoria-high-school-for-girls-afros

[5] Interview über die Rezeption des Liedes:
https://www.rollingstone.com/music/news/4-things-macklemore-told-us-about-white-privilege-ii-20160125

[6] Vgl:http://www.sueddeutsche.de/panorama/un-
menschenrechtsrat-dunkle-haut-macht-verdaechtig-1.3680798

[7] Beispiele aus Deutschland: https://www.vice.com/de/article/jm4vyb/rassismus-bei-der-polizei-gibt-es-auch-in-deutschland

[8] https://www.tagesschau.de/inland/bka-fluechtlingsunterkuenfte-statistik-101.html

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Zitiervorschlag: Maren Burger (2017): "Black Bodies - Feminismus, Kultur und Aktivismus", online unter: https://beyonce-seminar.blogspot.com/2017/10/black-bodies-feminismus-kultur-und.html

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