Politizitäten im Deutschrap

von Florian Rosen

I. Subversion in der Höhle des Kapitalismus. Wo ist politischer HipHop zu suchen?



Der HipHop hat seine politische (Un-)Schuld verloren. Geboren in den Straßen der Bronx in den 1970er Jahren, so lautet das klassische Narrativ, präsentierte er sich einstmals als Inbegriff einer Popkultur subversiver Aura. Heute ist der HipHop vor allem eins: Mainstream.

Die dazwischen liegende Geschichte ist die einer kapitalistischen Inkorporation. Als Tilgungsmoment der widerständigen Subkultur HipHop datieren viele Autor_innen die Mitte bzw. das Ende der 1990er Jahre. Im Sog einer expandierenden Kulturindustrie, die den Ansprüchen der Aufmerksamkeitsökonomie Genüge tun muss, erwartete und lancierte der internationale Markt spätestens hier „zum ersten Mal nicht Glättung, sondern kompromißlose Abweichung.” (Holert/Terkessidis 1996: 6) Musiker wie Elvis, die Beatles oder zuletzt Nirvana hatten den Boden für die marktkonforme Provokation bereitet, die fortan zu einem Teil seines modus operandi wurde. Der Spektakelbegriff eines Guy Debord oder die Frage der Warenästhetik (z.B. Haug) können als frühe Chronisten solcher Tendenzen angeführt werden. Führte der HipHop also bis dahin eine Underground-Existenz, die bewusst im Zeichen einer Gegenkultur stand, war er nun für den Markt im Signum einer „rebellische Konsumkultur“ (ebd.) absorbierbar: “W[ie] sich Dissidenz einmal des Konsums bediente, so bedient sich nun der Konsum der Dissidenz.” (ebd.)

Doch wie steht es heute um das politische Moment des HipHop, das so häufig eingefordert wird? Eines scheint klar: Der Aufstieg des HipHop hat seine politisch-ästhetischen Tribute gefordert und er hat vor allem eins – den HipHop zergliedert. Als Konsumprodukt ist HipHop hörbar geworden. Der Versuch, HipHop heute noch als performative „Kultur des Machens und Produzierens“ (Klein/Friedrich 2003: 38), als untrennbare synthetische Praxis von Breakdance, Graffiti, DJing und Rap gegen andere Popkulturen ins Feld zu führen, die reine Konsumkulturen seien, wirkt auf merkwürdige Weise gestrig. Dieser Versuch steht heute für ein Bestreben, das an einer HipHop-Illusion festhält, das seine Kapitalisierungsgeschichte durchstreicht, das schlichtweg verkennt, dass HipHop nicht mehr ist, was er war. In anderen Worten: Immer noch auf das (un)schuldige subkulturelle Charisma des HipHop als subversiver Popmusik zu pochen hat heute den fundamentalistischen Bei- bzw. Abgeschmack einer 'rückwärts gewandten Utopie' – alles Hoffen darauf scheint illusorisch. Das Vorherrschen einer 'reinen Konsument_innenschaft' von HipHop, die nicht selbst taggt, rappt, beatboxt, breakt oder auflegt, ist heute schlichtweg unleugbar. Genau das bedeutet Mainstreaming in einem kapitalistischen Sinne.

Was wir heute HipHop nennen, ist vor allem Rap-Musik. Sie hat sich, wie sich bereits zur Jahrtausendwende andeutete (a.a.O.: 26), von 'ihrer' vielfältigen Kultur abgelöst. Rap hat sich zu einem eigenen Genre entwickelt und wird heute in nahezu allen Bereichen im Hinblick auf seine Warenwerdung produziert und vertrieben. Trotzdem möchte ich hier argumentieren, dass die politische Geschichte des HipHop damit nicht auserzählt ist.

Im Gegensatz zu einem Narrativ, das sich begnügt zu konstatieren, 'der Markt' vernichte in einer einmaligen, unendlichen und unauflösbaren Geste der standardisierter Produktion jedwede Potenziale gesellschaftlichen Wandels, möchte ich vorschlagen, den Mainstream-HipHop als eine Art diskursive Arena verstehen. Das heißt: als ein sich immer wieder reflexiv auf sich selbst beziehendes Gewebe von Einzelteilen; einen Ort der praktisch sich vollziehenden Wiedereinschreibung, der sowohl die Momente von Vermarktlichung als auch des Zweifels an ihr und des Umgangs mit ihr trägt. Erst wenn man Rap als ein solch heterogenes Gebilde und die Tendenzen von Kommodifizierung und Resignifizierung als ein produktives Spannungsfeld begreift, wird die sich windende und ausdifferenzierende Geschichte des Rap erzählbar. Und erst dann werden politischen Potenziale, die noch heute im Rap angelegt sind, an seinen Rändern, in seinen Ausfransungen, aber auch in seiner Mitte, erkennbar.
Wenn in dieser Arbeit also – der Überschaubarkeit wegen – nach politischen Potenzialen des gegenwärtigen Deutschrap gefragt werden soll, so braucht es zuallererst eine grobe Kartierung des Deutschraps, die einen skizzenhaften Überblick über seine aktuelle Struktur gibt und vorläufig die Orte kennzeichnet, an denen politisch-ästhetische Praktiken angesiedelt sind. Eine solche Kartierung bietet das folgende Kapitel. Daraufhin wird es nötig sein zu theoretisieren und zu untersuchen, welche Begriffe einer politischen Ästhetik an diesen Orten heute beobachtbar sind. Hierzu werden in Kapitel III mithilfe diverser theoretischer Ansätze drei politisch-ästhetische Paradigmen destilliert und exemplarisch an drei Songs dargestellt, inwiefern verschiedene Politizitäten im Deutschrap heute auffindbar sind. Während ihre Darstellung isoliert erfolgen muss, dürfte klar sein, dass diese politischen Ansätze in der Praxis aufeinander verweisen. Das vierte Kapitel wird in diesem Sinne einen gegenseitigen Bezug herstellen, ihre Leerstellen anzeigen und einen Ausblick anbieten.


II. Deutschrap als Massenkultur: Eine politische Geschichte

Obgleich die Anfänge der Geschichte des HipHop in Deutschland selbstredend in einem Kontext liegen, der uns in die suburbanen Szenen und die gesellschaftlichen Enklave der amerikanischen Militärstützpunkte führt, so besteht in der konventionellen Erzählung der deutschen Rapgeschichte kaum ein Zweifel daran, dass deutscher Rap als Phänomen des Mainstream in seiner ersten Phase so etwas wie „Mittelstandsrap“ war. Als Inbegriffe seiner Popularisierung gelten gemeinhin die Fantastischen Vier, Fettes Brot oder die Absoluten Beginner, aber auch Freundeskreis, Blumentopf und Eins, Zwo. Textlich und strukturell darauf ausgerichtet, Geschichten eines harmlosen Alltags oder des Privatlebens zu erzählen, präsentierten sich die Beginne des „Deutschrap“, wie er später heißen sollte, hier nicht in den aus den USA bekannten Bildern des politischen Rap, des Pimp-Rap, des Party-Rap oder Gangsta-Rap. Vielmehr entwickelte sich ein eigenes Genre, das retrospektiv vor allem um die Etablierung der musikalischen und kulturellen Formen des Rap in der bundesrepublikanischen Breitengesellschaft bemüht scheint. In Deutschland wurde in Begriffen einer Chronologie der Massenkultur also – mit dem nötigen Reduktionismus und Schematismus beschrieben – nicht der Underground-Rap gesellschaftlich marginalisierter Personen/Gruppen kommerzialisiert, sondern es synthetisierten sich unterhalb der (allgemein sichtbaren) Oberfläche des Marktes ein spezifischer (namenloser) HipHop-Stil heraus, der Ende der 1990er Jahre im Markt aufgehen und kommerziell fruchten konnte. In der Form neu, war er darüber hinaus kaum rebellisch oder anstößig im weiteren Sinne des Wortes. Kurz: HipHop schoss in Deutschland nicht von Beginn an mit der selben Sozialkritik oder Härte an die Oberfläche, die dann gezähmt zu werden schien, wie das in den USA geschah. Vielmehr hatte er eine Ausprägung, die später häufig als bieder und bürgerlich begriffen wurde. Sie aber bildet die Keimzelle des deutschen Rap, von der aus eine Geschichte der Differenzierung erzählbar wird.


Eine erste grundlegende Verschiebung des Diskursfeldes stellte sich dabei ein, als sich kurz nach der Jahrtausendwende das angepasste hamburgerisch-stuttgarterische Rap-Modell anscheinend kommerziell und kreativ verausgabt und von der subkulturellen Szene abgelöst hatte. In Berlin und Frankfurt erhielten neue Stile Aufschwung, die die offene Konfrontation mit dem gesellschaftlichen Mainstream und den etablierten Rap-Gruppen inszenierten. Rapper wie (King) Kool Savas versuchten, sich in auf Provokation zielender Vulgarität und bildlicher Härte zu überbieten, gesellschaftliche Gepflogenheiten und Normen bewusst zu überschreiten und die nunmehr rapperische Old School für ihre Prüderie und ihren bürgerlichen Anstrich zu geißeln. Die neu einziehende Härte und Unangepasstheit etwa eines Azad wurde, in den Worten des Szene-Magazins Juice, „von einer ganzen Generation als Befreiungsschlag gesehen, als Monolith in einer Flut aus gleichförmigen Veröffentlichungen“ (Szillus 2010) und Bass Sultan Hengzt Album „Rap braucht kein Abitur“[2] (2003) bezeichnet sinnbildlich einen generationellen und vor allem klassistisch angehauchten Bruch. Die drei Rapper standen stellvertretend für einen neuen Möglichkeitsraum. „Der kommerzielle Overkill hatte eine neue Gegenkultur im Untergrund zum Leben erweckt.“ (ebd.) Diese artikulierte sich in der Folge in Form eines ersten deutschen Gangsta-Raps, getragen von Battle-Rap-Texten und einer für Deutschland neuen sozialkritischen „Gettozentrität“ (sic!) (vgl. Scharenberg 2001). Idealtypisch geprägt ist diese Ära sicherlich durch das quasi-hegemoniale Independant-Label „Aggro Berlin“.

Mit dieser ersten Umwälzung des deutschen Mainstream-Raps ereignete sich eine doppelte Politisierung des Raps innerhalb der Kulturindustrie. Einerseits weil hier eine selbstbewusst artikulierte Affiliation mit sozialen 'Unterschichten' markiert wurde. Der Deutschrap wurde standortreflexiv, versuchte sich im Rückbezug auf seine amerikanischen klassistischen Wurzeln – er trat also in ein Verhältnis zur dominanten Gesellschaft. Die Entwicklung einer (mal implizit, mal explizit) politischen Form des Rap war in diesem Sinne im Gegensatz zu den USA chronologisch eher eine nachholende Bewegung in Hinsicht auf die Kommerzialisierung. Andererseits wurde Rap zum Politikum: Deutschlandweit entzündeten sich berechtigte wie auch überzogen-hysterische Diskussionen über seine Vulgarität, Rassismus, Antisemitismus und vor allem Sexismus, die bis heute anhalten.

Neben den Mediendebatten stellten sich aber auch innerhalb der Rap-Community Kontroversen, Wandlungen und Differenzierungen ein. So kristallisierte sich innerhalb einer Phase, in der sich die Sprachlichkeit des Gangsta-Raps erschöpft, sein Schockmoment getilgt, seine Hegemonie erste Risse zu erhalten haben schien – er sich sozusagen „tot gesiegt“ zu haben schien – eine Art „Post-Gangstarap-Zeit“ (Wehn 2011) heraus. Ein neuer Umbruch. Vertreter_innen diese Post-Gangsta-Raps hatte den Anspruch, sowohl den ersteiften Gangsta-Rap als auch den Mittelstandhabitus der Old School hinter sich zu lassen. In den Jahren ab 2007 stellte sich dabei – selbst schematisch betrachtet – eine enorme, wenn auch langsam sich vollziehende, Komplizierung und Verästelung des deutschen Mainstream-HipHop ein. Auf der einen Seite brachte das legendäre Berliner Royal Bunker-Label mit K.I.Z. ein Gruppe in Stellung, die sich die anstößige Sprachlichkeit des Gangsta-Raps aneignete, aber thematisch verfremdete oder umkehrte, zynisch bearbeitete, mit einem linken, gesellschaftskritischen Impetus versetzte, oder schlichtweg derart übersteigerte, dass sie den Gangsta-Rap und sich selbst entlarvten.[3] Ähnlich arbeitet heute zum Teil die Bitch-Rap-Formation SXTN. Auf der anderen Seite schob sich mit Kollegah ein junger Solokünstler in den Vordergrund, der vor allem durch seine technischen Fähigkeiten sowie den überbordenden Einsatz von Wortspielen und Punchlines bestehende Grenzen sprengte, dabei aber hinsichtlich von Themen wie Sexismus problematisch blieb und sich auch seines neoliberalen Leistungsindividualismus wegen von diversen Seiten Kritiken einhandelte. In Zusammenarbeit mit Rappern wie Farid Bang oder Shindy produziert er heute einen Stil, der zwischen Gangsta-, Pimp- und Battle-Rap changiert, ohne dabei mittlerweile noch großen Wert auf originäre street credibility zu legen.

In dem so entstandenen Freiraum konnten immer stärker auch andere Stilrichtungen kommerziell zum Tragen kommen, die neben den beiden genannten bis heute den deutschen Rap prägen. Erstens eine Art Neo-Gangsta-Rap, der durch Charaktere wie Haftbefehl, dessen Stil bereits als „dadaistisch“ (Haas 2014; dazu Ferizaj 2015) charakterisiert wurde, die Hamburger Combo 187 Straßenbande, oder das Bonner „Alles oder Nix“-Label geprägt werden, dessen Hauptfiguren SSIO und Xatar dem deutschen Gangsta-Rap durch Elemente des Boom-Bap und G-Funk eine neue Richtung gaben und das mit Schwesta Ewa eine der wenigen deutschen Gangsta-Rapperinnen unter Vertrag nahm.

Zweitens eine Form des explizit politischen und gesellschaftskritischen (Conscious)-Rap von Künstler_innen wie Prezident, Sookee, Antilopen Gang, Zugezogen Maskulin oder Audio88 & Yassin, die mit einem radikalen politischen Anspruch Sexismus, Antisemitismus, Rassismus in der Gesellschaft und im Rap-Business ansprechen. Teils auf aktuelle Ereignisse anspielend oder hintergründige Strukturen anprangernd, werden hier häufig auch akademische und sozialtheoretische Bezüge hergestellt[4] oder bewusste Brüche mit der etablierten Form des Raps versucht, wie etwa in dem fast reimfreien prosaischen Stil eines Audio88.[5]

Drittens erlebt das Rap-Genre seit einigen Jahren eine Art Revival eines aufgepeppten Old School-Raps – insofern dieser neue Stil ebenso unanstößig, Geschichten erzählend und vom Grundton positiv ist. Er kann mit Personen wie Peter Fox, der mit seinem Dancehall-nahen Stadtaffe-Album (2008) 135 Wochen in den Charts blieb, in Verbindung gebracht werden, ganz besonders wohl aber mit dem in der Rap-Community umstrittenen Cro, dessen bisherige drei Alben allesamt Nummer-Eins-Status erlangten.

Viertens zeichnet sich in der jüngsten Zeit eine Form des deutschen Trap und Cloud-Rap ab, die noch nicht wirklich definitorisch umreissbar, allerdings durch ihre geringe Beatzahl pro Minute, den starken Einsatz von Synthesizern, markant gepitchte Stimmen und textliche Belanglosigkeit charakterisierbar scheint, und mit Figuren wie RIN, Ufo 361 und Haiyti gerade bei einem jungen Publikum punktet.

Fünftens gibt es einige schwierig zu lokalisierende sehr erfolgreiche Einzelkünstler wie Casper, der durch seinen idiosynkratischen, düsteren Stil auffällt; die zurückgekommenen Altstars Samy Delux, Afrob und Curse; genretechnisch variable Rapper wie MoTrip, die in Popmusikproduktionen ebenso wie im Gangstarap zu funktionieren scheinen; oder Grenzgänger des HipHop wie Alligatoah.

Insgesamt hat sich also in den letzten Jahren an der konsumkulturellen Oberfläche des deutschen Raps ein heterogenes Feld aufgetan, in dem Musiker_innen verschiedener Façon nebeneinander produzieren und in Konkurrenz treten. Dabei waren, wie ich versucht habe zu zeigen, nicht nur Marktanreize und -sättigungsprozesse entscheidend, sondern vor allem auch Tendenzen innerhalb der diskursiven Arena des Mainstream-HipHop. Politisch interessante Momente haben sich dabei vor allem um drei Bruchlinien herum angesiedelt: zum einen um den klassistisch gefärbten Bruch mit der Old School, der sich besonders in den Formen des Gangsta-Rap und des Neo-Gangsta-Rap eingeschrieben hat. Zum anderen in dem eher ethisch grundierten Bruch des explizit politischen Rap insbesondere mit dem Gangsta-Rap. Zuletzt durch einen ästhetisch inspirierten Bruch bestimmter Post-Gangsta-Rap Künstler_innen mit den Inszenierungsweisen und Thematiken von Old School und Gangsta-Rap.

So unterschiedlich die Akteur_innen in diesem Feld sind, so unterschiedlich sind letztlich auch die politisch-ästhetischen Modelle, die sie zur Anwendung bringen. Ihre Theoretisierung und Analyse erfolgt im nächsten Kapitel.


III. Politizitäten des Rap

Entgegen dem Kulturpessimismus einer Spielart der Frankfurter Kritischen Theorie, wie er programmatisch im Kulturindustrie-Kapitel der Dialektik der Aufklärung (1971) ausgearbeitet wurde, soll hier die These vertreten werden, dass sehr wohl politisch-ästhetische Praxen innerhalb des Diskurses des Mainstream-HipHop zu finden sind. „Politisch-ästhetisch“ sind diese Paradigmen dabei nicht in einem einheitlichen Sinne, sondern gerade gemäß der spezifischen Ausarbeitungen ihrer Ideengeber_innen. Es eint sie jedoch das Element einer geplanten oder vollzogenen Änderung des Bestehenden mit den Mitteln der Kunst.


Im Folgenden versuche ich, aus den Theorien jeweils zweier Autor_innen ein grundlegendes Modell künstlerischer Praxis herauszudestillieren und anhand jeweils eines Rap-Songs zu veranschaulichen, in welcher spezifischen Weise dieses Paradigma eine Form der Politizität in der musikalischen Praxis auffindbar macht. Die drei angewandten Paradigmen entstammen dabei jeweils 'einem' theoretischen Kontext und sollen hier auch jeweils die spezifische Politizität einer Nische des Mainstream-HipHop charakterisieren. Es handelt sich dabei um: das Paradigma der Entlarvung, das ich anhand eines marxistischen Kontexts bei Brecht und Sartre theoretisieren will; das Paradigma der Praxis, das in einem praxeologischen Kontext bei de Certeau und Butler auftaucht; das Paradigma der Unbestimmtheit, das mir die postmarxistischen Gedankengebäude von Derrida und Rancière zu verbinden scheint.

Der Verständlichkeit halber, will ich zuerst das Modell erläutern und anhand eines Songs die Spuren von Politizität innerhalb der musikalischen Praxis des Deutschraps markieren.

III.A. Theorien des Paradigmas der Entlarvung

Das erste politisch-ästhetische Paradigma ist als ein Gemeinsames der Theatertheorie von Bertolt Brecht und der Literaturtheorie Jean-Paul Sartres definierbar. So sehr sich die beiden Ansätze auch unterscheiden, es eint sie doch ein klassischer marxistischer Impetus der Entlarvung, d.h. ein Blick hinter die ideologische oder fetischisierte Verblendung, und das Bestreben einer Aktivierung ihrer Adressat_innen.


Ist es Brechts Anspruch, ein Theater auf der Höhe der Zeit darzubieten, das mit den technischen Mitteln der Epoche die veränderbaren menschlichen Beziehungen hinter dem versklavenden Produktionsapparat aufzeigt[6], so zielt Sartres emphatischer Begriff von Prosa auf eine Literatur, welche die Welt demaskiert und in sie eingreift. In seinem Werk Was ist Literatur (1976) schreibt Sartre über die Welt: „ich enthülle sie mir selbst und den anderen, um sie zu ändern“ (Sartre 1976: 26) und „bei jedem Wort, das ich sage, engagiere ich mich etwas mehr in der Welt, und gleichzeitig tauche ich etwas mehr daraus auf, weil ich sie auf die Zukunft hin überschreite.“ (ebd.)

Sowohl bei Sartre als auch bei Brecht lautet die Grundthese kurzum: „Handeln durch Enthüllen“ (ebd.). Es geht darum, sich der Sprache und des Theaters als Mittel zu bedienen, darum sprachliche Mitteilungen zu verfassen (a.a.O.: 23-26) und durch sie den Adressat_innen die Wirklichkeit preiszugeben. Zum zentralen Begriff der politischen Kunst wird für Brecht wie für Sartre damit der des „Engagements“[7]. Das gilt in dreifacher Hinsicht: die Künstler_innen haben erstens gesellschaftlich Partei zu beziehen (vgl. auch: Benjamin 1991c), zweitens durch Entlarvung in der Welt tätig zu werden und drittens das Engagement der Adressat_innen zu wecken, sie also aus der Passivität zu befreien, die ihnen das klassische Drama und die Geschichte der Literaturtheorie auferlegen.

Beide Theoretiker teilen also eine bestimmte Weise, unter realistischen Prämissen auf gesellschaftlich existierende Strukturen zu zeigen und dabei den “Akt des Zeigens zu einem künstlerischen machen” (Brecht 1967: 684). Doch an diesem Punkt scheiden sich die Vorstellungen. Während bei Brecht gewissermaßen die Autor_innen den Adressat_innen eine textuelle Nachricht übergeben, arbeiten in Sartres Vorstellung Autor_innen und Adressat_innen gemeinsam an einem Werk, das nur durch ihrer beider freiheitliches Mitwirken abgeschlossen werden kann. Besonders darin liegt Sartres (humanistischer) Subjektivismus.

Die Freude an der Kunst kommt bei Brecht in der Folge durch Einsicht und Urteil, bei Sartre durch das frei Wirken innerhalb der Lektüre (eine Freude, die den Autor_innen also stets verschlossen bleibt (vgl. Sartre 1976: 37f.)). Insgesamt wirken also jeweils über Kreuz liegende Verhältnisse von Unmittelbarkeit und Distanz. Bei Brecht ergibt sich eine erkenntnistheoretische Unmittelbarkeit in der distanzierenden Verfremdung, bei Sartre entsteht die objektive Konfrontation gerade durch die Distanz zwischen Leser_in und dem Text, der als direkte, unverstellte Mitteilung an die Leser_innen „appelliert“ (a.a.O.: 41). Brechts Adressat_in nimmt also hin und urteilt, Sartres gibt sich selbst hin.

III.B. Die Ästhetik der Entlarvung in Antilopen Gangs 'Outlaws'

Im Subgenre des politischen Rap/Conscious Rap finden die Methodiken des epischen Theater selbst eher selten explizite Anwendung. Sookees „Queere Tiere“ (2017) bildet hier ein seltenes Beispiel, in dem an der Tierwelt 'verfremdet' auf die Natürlichkeit nicht heterosexueller Beziehungen verwiesen wird. Das Verfahren scheint aber kaum repräsentativ für den allgemeinen Stil der Rapperin, geschweige denn des Genres, sind die Texte innerhalb der Nische des politischen Raps sonst doch zumeist von einer direkten Ansprache geprägt. Vielmehr noch nimmt etwa der Wuppertaler Rapper Prezident an einigen Stellen sogar skeptischen Bezug auf Brechts Kunsttheorie (z.B. in „Signatur“ (2013)), widmet ihm sogar mit „Läppisches Theater“ (2016) einen ironisch-anspielenden Titel.


Typisch scheint also eher der unverstellte Bezug auf gesellschaftliche Phänomene und politische Ereignisse, der sich mit einer Szenekritik des Raps verwebt. Beispielsweise konstatiert etwa Prezident, es sei ihm in seinem Album „Limbus“ (2016) immer wieder darum gegangen, „in den musikalischen Beziehungen von Korruption und Mittelmäßigkeit [der Rapszene] auch ein Gesamtgesellschaftliches aufzudecken.“ (Prezident 24:13).

Auch im Werk des linksradikalen Rap-Trios Antilopen Gang lassen sich diese Tendenzen auffinden. An anderer Stelle schon als „so etwas wie die musikalische Formulierung von Kritischer Theorie für das Jahr 2015“ (Salzborn 2015) bezeichnet, schließt die Gruppe in Interviews und Liedern an verschiedene Elemente einer linken Gesellschaftskritik an: Kritik der Alltagssprache, Kritik staatlicher Institutionen und Medien, Kulturkritik etc. In ihrem viel diskutierten Track „Beate Zschäpe hört U2“ (2014) bspw. werden 'Deutschtum', Nazismus und (antisemitische) Verschwörungstheorien thematisiert und in der Hook verschiedene Formen gesellschaftlich ermöglichten Rassismus und Antisemitismus in der Radikalität und Banalität der Personen von Günter Grass, Beate Zschäpe, MaKss Damage, Jürgen Möllemann, Holger Apfel und der Jedermann-Figur Max Mustermann verdichtet.


Mit Blick auf das Paradigma der Entlarvung lässt sich exemplarisch die Politizität ihres Song „Outlaws“ (2014) beschreiben. Hier zeichnen die Rapper das Bild 'ihrer' von Non-Konformismus und Anfeindung geprägten Schulzeit und verknüpfen dieses mit ihrem Status als 'subversive Rapper' zu einer kohärenten Narration der Abweichung. Der Grundmodus ist dabei die Parallelität der Isolation auf dem Schulhof als Kind, das sich dem Konsumismus („Markenschuhe“) und schnelllebigen Trends („Fußballsammelbildchen“) verweigert und solidarisch mit Behinderten und Homosexuellen ist, sowie der Ablehnung innerhalb des Rapgeschäfts, in welchem affirmative Rapjournalisten und Plattenkritiker, “von uns seit Jahren nicht wissen wollen, [aber] weiter Chauvinisten pushen, die ich niemals featuren würde”.

Während die verunsicherten Rüpel auf den Schulhöfen heute „Anlageberater, Richter und Polizisten“, also Abbilder von Prüderie oder gesellschaftlicher Affirmation, seien, so seien die Erzählpersonen, die einstmals rebellischen Einzelgänger, heute Rapper, die „einen Fick“ auf die Szene „geben“.

In der Hook spitzen Antilopen Gang das Bild der 'eigenen' Subversion zu: Antilopen Gang seien „Außenseiter“, Außenstehende gewissermaßen, auf der „Trauerfeier“ für die Rapszene, die sie quasi selbst herbeiführen. Es gehe den dreien nicht darum, “dieses [Rap-]Game zu übernehmen”, also in bestehenden Strukturen siegreich aufzugehen, sondern um Subversion. Die Hook mündet in der Paraphrasierung eines Slime-Zitats “Deutschrap muss sterben, damit wir leben können”, also der Idee einer unwirtlichen Kultur, in der nur ein Nischendasein möglich ist, deren Zerstörung aber notwendig ist, um zur wirklichen Entfaltung des Lebens zu gelangen. Auch die Referenz auf Adornos Aphorismus vom unmöglichen richtigen Leben im Falschen ist hier angelegt.

In den folgenden Strophen spinnt sich die Erzählung weiter, ihre Geschichte ist aber bereits auserzählt. In der jugendlichen Hinwendung zum Punk wird die Dissoziation von der Gesellschaft und dem Rap explizit. Man habe zudem „niemals gespielt“, sondern es stets ernst gemeint, und differenzierte sich im Gegensatz zu all den „handzahmen Idioten“ als eine Art aufwieglerischer Intellektueller („Ich las den ganzen Tag nur Bücher die nicht altersgerecht waren/ Die anderen waren angepasste handzahme Idioten“). Ihre Minderheitenexistenz und künstlerische Isolation seien ethische Konsequenz und folgerichtiges Mittel: “Wenn sich die Mehrheit faschisiert musst du Minderheit sein”; alle Anbiederungsversuche seien abzulehnen: “ich seh's nicht ein, mich als Teil einer Szene zu fühlen“ und „dem Feind gegenüber ist ein Trennungsstrich zu ziehen – Mao“. In dieser Gemengelage seien Hass, Ablehnung und Ignoranz letztlich als Zeichen der Anerkennung zu deuten, in einer falschen Gesellschaft, das möglichst Richtige zu tun – die Subversion – und zu sein bzw. zu bleiben, wie man ist („mich deswegen dafür hassen, dass ich bin wie ich bin“).

Es ist nun sicher möglich, diesen Song als einen Sprechakt der genrespezifischen Authentifizierung der Gruppe zu lesen oder als inszenierte Provokation. Das wäre allerdings eine zu einfache Reduktion seines politischen Anliegens. Betrachtet man ihn unter dem Paradigma der Entlarvung, so kommuniziert er eine offenliegende Botschaft, zu deren Entschlüsselung es kaum interpretatorischer Hilfsmittel bedarf. Einerseits wird die Rap-Community hier wiederholt als „dumm“, männlich oder chauvinistisch angeklagt, die Journalist_innen als ihre Gehilf_innen. Andererseits wird diese Verfasstheit mit der Situation auf dem Schulhof parallelisiert, der hier durchaus als pars pro toto eines 'gesellschaftlichen Ganzen' gelesen werden muss. Die entlarvende Leistung liegt dabei also: erstens in der Beschreibung eines wechselseitig verweisenden Bezugs zwischen Problematizität gesellschaftlichen Ausschlusses und Diskriminierung mit den diskriminierenden Strukturen des Raps; zweitens in der Anfertigung von Erzählungen, die auf der einen Seite politische Korrektheit, Abweichung und Subversion gleichsetzen und auf der anderen politische Inkorrektheit, Rüpeltum und gesellschaftliche Affirmation. Das ästhetische Moment besteht hierbei vor allem in der analytischen Funktion der Narration und operiert letztlich auf einer Ebene der Einsicht. Die Zuhörer_innen sind in einem aktivierenden Sinne aufgefordert, den Schlüssen der Autor_innen zuzustimmen und letztlich in ein Spiel wechselseitiger Solidarisierung der Gruppe mit Ausgeschlossenen und einer 'politisch korrekten', 'kritischen' Bevölkerungsminderheit einzustimmen. Der Song hat insofern explizit Provokations- und Appellcharakter: bestimmten Ausformen des Rap und der Gesellschaft gegenüber ist „ein Trennungsstrich zu ziehen“.

III.C. Theorien einer Kunst der Praxis

Die Grundannahmen des zweiten Paradigmas haben eine komplexere Ursprungsgeschichte. In der zweiten Hälfe des 20. Jahrhunderts begannen Autor_innen in einer paradox anmutenden Äußerung, verstärkt die Souveränität von Autor_innen in Zweifel zu ziehen. In seiner berühmt gewordenen These vom „Tod des Autors“ stellte der französische Philosoph Roland Barthes fest, die Strömungen des Surrealismus und der semiologischen Linguistik hätten die Instanz 'des Autors' „entsakralisiert“ (Barthes 2000: 188). Der Autor sei nunmehr von einem „Schreiber“ abgelöst worden, der nicht mehr „utilitär“ (wie bei Sartre) auf die Sprache zugreife. Vielmehr stehe er in einem Verhältnis zur Sprache, in dem ihm diese vorausgehe und für ihn selbst konstitutiv sei (a.a.O: 189f). Als Schreiber stehe man folglich in einem nachahmenden Verhältnis zur Welt, agiere mit existierenden sprachlichen Versatzstücken, sodass der Text letztlich ein „Gewebe von Zitaten“ (a.a.O.: 190) werde und nicht mehr in einem urheberischen Akt durch die Intention 'des Autors' bestimmt sei. Der Schreiber sei somit letztlich nur in einem bestimmten Stil, einer „Schreibweise“ (vgl. Barthes 1959), im Text anwesend. In eine ähnliche Richtung ging auch Michel Foucault, der in seinem Vortrag „Was ist ein Autor?“ gegen das Verständnis 'des Autors' als Reduktionsprinzip von Sinn und Struktur eines Textes plädierte (Foucault 2000).


Im Fahrwasser dieser Kritiken haben sich Theorien gebildet, die die prekäre Lage der Schreibenden anerkennen, sie jedoch mit einem anti-strukturalistischen Grundton umdeuten. Diese Ansätze sind für das zweite Paradigma entscheidend. Erneut sollen hier zwei so unterschiedliche Autor_innen wie der praxeologische Denker Michel de Certeau und die poststrukturalistische Theoretikerin Judith Butler ins Spiel gebracht werden, um eine politische Ästhetik der praktischen Umwandlung als gemeinsames Grundmuster auszuformulieren.

Das zentrale Werk von Michel de Certeau ist sicher Kunst des Handelns (1988), im dem er die gängige Vorstellung eines passiven Konsums zurückweist und an ihrer statt die Begriffe von „Umgangsweisen“, „Fabrikation“ oder „Poesis“ (de Certeau 1988: 13) stellt. Damit ist schon einmal das ursprüngliche Moment des Paradigmas benannt: die Reinszenierung. De Certeau versteht Michel Foucaults disziplinierende Dispositive nicht als singuläre Struktur, sondern als sich wiederholende Mechanismen, die dazu bestellt sind, eine noch grundlegendere kontinuierliche verändernde Praxis in die gewünschten Bahnen zu leiten. Die Disziplinen sind also gerade vorhanden, weil es einen sich durchgängig vollziehenden Modus der Reinszenierung gibt. Sie sollen diesen in einem sekundären Akt regulieren. De Certeau verwirft deshalb das strukturalistische Bild von Konsument_innen. Für ihn verfügen „Benutzer“, wie es sie nennt, zwar nicht über die Situation – sie haben, wie er sagt, „keinen eigenen Ort“ (a.a.O.: 21-24) –, sie entwickeln aber innerhalb einer Situation immer idiosynkratische Handlungsweisen. Für de Certeau bedeutet der Begriff der Kunst deshalb, „einen Coup zu landen, gewissermaßen ein Vergnügen daran, die Regeln einer aufgezwungenen Umwelt auf den Kopf zu stellen.“ (a.a.O.: 60) Diese Art der Kunst vollzieht sich ständig: Handelnde überschreiten z.B. die Nutzungsvorstellungen ihrer Mittel – ein Fußgänger 'missbraucht' oder 'benutzt' auf seine eigene Art ebenso wie Parcour-Läufer die Wege, wie Chaplin den Gehstock, wie DJs die Vinyl-Platten, wie die Rapper_innen die Sprache (a.a.O.:190f).

Für Judith Butler lautet die Fragestellung in ihrem Buch Haß spricht (2013) etwas anders. Sie fragt nach der Wirkkraft verletzender Sprache und beobachtet, dass wir 'hate speech' nicht einfach ausgesetzt sind, sondern das Begriffe und Identitäten in sinnverschiebender Weise praktisch umgewandelt werden können. Derartige Phänomene ließen sich etwa bei Begriffen wie „queer“ in der LGBTQI+-Szene oder „nigga“ im afroamerikanischen HipHop verzeichnen, die ihre Konnotation nicht verlieren, aber neue dazugewinnen und die „ironische Hoffnung“ (Butler 2013: 160) zulassen, dass sie ihre ursprünglichen Konnotationen irgendwann tilgen.

Sprechakte und Systeme haben für Butler demnach in den allermeisten Fällen keine „illokutionäre“ Wirkung, also keine deterministische Wirkung, in der das Sagen unmittelbar das Ausgesagte mit sich bringt (wie etwa in: 'Das Buffet ist eröffnet'), sondern es gibt eine markante Bruchstelle: einen „Spalt“ (a.a.O.: 30) zwischen der Intention einer Äußerung oder einer Struktur und einem Effekt, an dem sich die eigentliche Handlungsmacht des Subjekts ansiedelt. Der verwandelnde, praktische Vollzug der Wiederholung eines Zeichens hält deshalb immer die Möglichkeit einer aneignenden Resignifizierung offen – die Möglichkeit für eine “künstlerische Mimesis” (a.a.O.: 236).

In beiden Fällen bezeichnet eine politische Ästhetik also die aneignende praktische Überschreitung bestehender Strukturen, in die man hineingeworfen ist. Entscheidend für den Kunstbegriff ist hierbei die Einschränkung von Wirkungen, ohne die eine Resignifizierung nicht möglich wäre. Das gilt aber auf für den Kunstakt selbst. Die „permanente Diversität im semantischen Feld“ (a.a.O.: 138) enteignet das „post-souveräne Subjekt“ wiederum der Verfügung über die Kontexte seiner Äußerung und ihrer Rezeption (a.a.O.: 139f). Der Kunstakt scheint also in seiner Reichweite auf eine Beziehung von Autor_in und Text beschnitten, was aber „nicht meint, daß Sprechen immer seine Bedeutung außer Kraft setzt oder daß Worte nie das performativ herbeiführen, was sie performativ herbeizuführen beanspruchen.“ (a.a.O.: 148)[8]

III.D. Exkurs: Zur resignifizierenden Praxis des Gangsta-Raps

Aneignende Praktiken liegen im Zentrum des HipHop. Der basale Akt des Sampling zweier oder mehrerer musikalischer Versatzstücke zu einem neuen Beat, das Taggen eines Graffiti als Aneignung eines oktroyierten Raums für das Zeichnen und Entwerfen einer Kunstform, die in dieser Art nicht vorgängig legitimiert ist, sind die offensichtlichsten Beispiele. Während das Sampling aber mittlerweile zum Einmaleins jeder elektronischen Musik geworden ist und sein revolutionäres Moment im Sinne eines standardisierten Überschreitens verflogen scheint, ist das Taggen kein notwendiger Teil des hörbaren HipHop mehr.


Aneignende Praktiken vollziehen sich aber auch in der und durch die Sprachlichkeit, dem Hauptmedium des Raps, das heißt besonders im fiktionalen Erzählen und in der Reinszenierungen lebensweltlicher Situationen. Speziell in der Geschichte des Gangsta-Rap artikulieren sich solche Praktiken aneignender Sprache und eines künstlerischen Umgangs mit strukturellen Notlagen. In welchem Sinne?

Es ist sicher kein Zufall, dass die Beschreibungen dessen, was Foucault Biomacht genannt hat und was später von Agamben und Negri/Hardt als Herstellung von nacktem Leben bzw. spezifischen Lebensformen umgeschrieben wurde, in die gleiche Phase fällt wie die Entstehung des ghettozentrischen HipHop. Begriffe wie „hustlen“ sind nur in diesem Kontext denkbar. „Hustlen“, eine der inszenierten Kernpraktiken der HipHop-Bildwelt, bezeichnet genau das widerständige Handeln gegen gesellschaftliche Formen mehrfacher Marginalisierung, die bestimmte Schichten einem täglichen Überlebenskampf aussetzen. Albert Scharenberg hat in Anlehnung an Marx für Ghettobewohner_Innen einmal von einer „dreifachen Freiheit“ (Scharenberg 2001: 246, 251) gesprochen, die diese als juristisch frei, frei von Eigentum an den Produktionsmitteln und frei „von den Möglichkeiten der selbstständigen Reproduktion“ (ebd.) klassifiziert. Der Begriff muss dabei sogar noch erweitert werden, wenn man berücksichtigt, dass gesellschaftliche Hierarchien und Marginalisierungen immer auch mit Diskursordnungen (Foucault) zu tun haben, mit Dingen und Orten des Sag- und Unsagbaren (Butler) oder mit einer „Aufteilung des Sinnlichen“ (Rancière 2014). Marginalisierung umfasst also nicht nur eine juristische und ökonomische Ebene, sondern vor allem auch eine der „gesellschaftlichen und diskursiven Existenz“, die aber unbedingt in ihren physischen Implikationen zu verstehen ist (Butler 2013: 49). Die Ausgeschlossenen sind, wenn es um die Berechtigung zur Mitsprache geschweige den zur Anfertigung von Kunst geht, in gewissem Sinne „anteillos“ (vgl. Rancière 2014). Allein die Aneignung öffentlicher Sprache, die Rap als Kulturform vollzieht, birgt daher schon ein nicht zu unterschätzendes politisches Moment, das bestehende soziale Einteilung transzendiert.

Viele Versionen des Gangsta-Rap können in dieser Hinsicht also als Form eines produktiven Umgangs mit der materiellen Marginalisierung und sozialen Entmündigung gefasst werden. “Der dauerhafte, mehrdimensionale Ausschluss der schwarzen Unterschichten und ihre Einhegung in den innerstädtischen Gettos bildete den Humus für die Entstehung der Hip Hop-Kultur” (Scharenberg 2001: 246) und diese einen Prozess der künstlerischen Umwandlung von Ausschlusserfahrungen.

Diese künstlerische Form hat dabei im Laufe der Jahre ein bildliches Inventar angelegt, auf das sich anknüpfend zurückgreifen lässt. Die zentrale Figur ist hier die des Ghettos. In ihr werden die vielschichtigen Formen der Marginalisierung narrativ verdichtet. Häufig im Sinne einer naiven 'realness' missverstanden, schließt der Bezug auf das Bild des Ghettos dabei nicht notwendigerweise die Parallelität der jeweilig beschriebenen Lebensumstände der Rapper_innen zu denen in den 1970er und 1980er Jahren in den USA ein, geschweige den die Lebenssituation der Person hinter ihrem künstlerischen Alter Ego. Vielmehr spielt sie auf eine Analogie der Ausschlusserfahrungen an. Gerade der Kampf um die Anerkennung der Existenz dieser Ausschlüsse war deshalb ein Kernanliegen der ersten Gangsta-Rap-Generation, die wie etwa Bushido und Eko Fresh darauf beharrte, daß sie im „Gheddo“ (2006) lebte und gleichzeitig eine (sinnliche) Aufteilung gesellschaftlicher Wirklichkeiten monierte: „Ihr habt alle reiche Eltern und sagt Deutschland hat kein Ghetto“. Das Ghetto wird damit zur voraussetzungsvollen (materiellen) Erfahrungsqualität, wobei die Voraussetzung der Erkenntnis genau die Voraussetzung eines Ausschlusses ist: eine zerteilte Sinnlichkeit. Die Bildlichkeiten speichern gemäß einem Paradigma der Praxis also gewisse Aspekte eines Realen auf, bringen sie aber in ein neues Narrativ.

III.E. Die Ästhetik der Praxis in Hanybals 'Kranke Welt'



Der Frankfurter Rapper Hanybal vollzieht eine solche bildliche Synthese lebensweltlicher Aspekte in seinem Song „Kranke Welt“ (2016) paradigmatisch. Gleich zu Beginn wird hier die komplexe Beziehung von Kriminalität und der spezifischen gesellschaftlichen Gesamtlage („diese Welt“) angesprochen. Für die Erzählperson ist eine Absage an diese Welt verbunden mit einer Absage an die Legalität, und es wird andersherum (fragend?) in Aussicht gestellt, dass das Leben in der Kriminalität diese Welt diskreditieren oder zerstören kann („ficken“). Kriminalität wird also als Frontstellung zu dieser Welt inszeniert, als eine Art Gegenwelt oder 'modus anti'. Dieses Leben wiederum ist durch die Bilder von Rauschgifthandel sowie sprachlicher und symbolischer Härte („Du Bastard, gib mir jetzt dein Geld“) genau in den Bildern des 'hustles' beschrieben. Die feindliche Welt wird hingegen in den Figuren „Cops“, „Arge“ und „Du“ repräsentiert ist, die auf verschiedene Weisen eingreifend tätig und als Gegner_innen erscheinen. Alle Gegner_innen haben institutionelle Züge: staatliche Repression, Bürokratie und Arbeitslosigkeit, das leere Du einer Allgemeinheit, die mit offenen Fragen aufwartet (etwa nach dem Sinn dieses Lebensstils). Ihr Auftreten wird im Narrativ des Songs unterlaufen (Drogenhandel), passiv abgelehnt („kein Bock“) oder durch Konfrontation beantwortet (den Stich mit einer „rostigen Gabel“). Eine Versöhnlichkeit wird ausgeschlossen. Das befriedigende oder befriedete Leben, das figuriert in „deiner Chaya“, also deiner Freundin, auftritt, wird als Illusion dargestellt. Ihre heuchlerisch Täuschung von Treue und Idylle, ist nur die Oberfläche von (für dich/ für die dominante Gesellschaft) unsichtbarem Verrat und von Drogensucht.


Bridge und Hook konkretisieren dieses Bild. Die „kranke Welt“ der Täuschung wird hier als eine präsentiert, in der sich „der kleine Mann immer hinten anstellen muss“. Sie bietet kein Entkommen – jeder Besserungsversuch resultiert in einer weiteren Verschlechterung der Lage. War die Kindheit noch unbesorgt und voller Spiel, ist das heutige Leben geprägt von Konfrontation. Wo eigentlich immer noch Frohsinn herrschen sollte, denn das „Kinderzimmer“ existiert weiterhin, ist der ein krasser Bruch eingezogen: die Waffe. Die Welt ist deshalb eine “kranke Welt”, sowohl im Sinne ihrer Unverständlichkeit bzw. Heftigkeit, aber auch weil etwas in ihr unverkennbar missraten ist.

Hanybal kennzeichnet diese Krankheit in doppelter Weise: Einerseits in den repressiven Strukturen von Polizei, struktureller Arbeitslosigkeit, Arbeitsamt, der Unwirtlichkeit der Welt gegenüber dem kleinen Mann und den offenen Fragen der anderen. Anderseits ist von der Krankheit aber auch die Ghetto-Welt befallen. Die Erzählperson scheint gefangen in der Diskrepanz zwischen Nichts-Haben und einem 'sinnlosen' Alles-Haben und Alles-haben-Wollen: aus dem Überlebenskampf, dem Rauschgifthandel, wird das Streben nach Luxusautos („SL“).

In der zweiten Strophe wird dieser Aspekt vertieft. Struktureller Zwang und Ghettokultur verwachsen miteinander: In (m)einer Welt, die „abgefuckt” ist, gilt es, das Geld in der Nacht, also unter widrigen Umständen und unbeobachtet, zu verdienen. Die Kälte, die Härte des Lebens – vielleicht auch der Hunger – zwingen zur Wachheit, zum Überlebenskampf. Die Erzählperson spricht von einer ganzen Generation, die “am Ende” sei; dem “Hass“ dieser Generation, der „sich dick angestaut” habe. Dieser Hass über Ausweglosigkeit und Täuschung wird in einer Erzählung illustriert. Sie erzählt in knappen Worten das Werden „Hassans“: Er baut sich in der Illegalität ein gutlaufendes Geschäft („business“) auf, seine Frau ist schwanger – es könnte eine bessere Zukunft bevorstehen, der Mensch träumt. Aber das Gefängnis durch den Richterspruch wartet schon. Dabei wird das Bild hier ausdifferenzierter. Es ist nicht einfach der situative Zwang, sondern auch ein darüber hinausschnellender Wille nach mehr in dem Handeln der Akteur_innen verborgen: „Billigend“ nehmen es die Menschen in Kauf, „dass die eigenen Kinder aufwachsen ohne Papa“ – „für [ein] paar Millen und 'n Auto“. Verschiedene Aspekte verwachsen schließlich zu einer Unkenntlichkeit einer letzten Motivationslage.

Dennoch überwiegt im Narrativ des Songs der strukturelle Zwang. Das Problem liegt hier weniger in der Moral der Menschen, die “jahrelang geackert” haben, sondern in den ihnen äußerlichen gesellschaftlichen Elementen: Letztlich werden sie „gefickt vom Finanzamt“. Die Aporie der Situation liegt in Hanybals Erzählung in der Zwiespältigkeit der verfügbaren Mittel, die gleichzeitig Hilfe und Verdammnis sind. In den einzigen Instrumenten, die Besserung versprechen (Kriminalität), ist immer schon die letztliche Verschlechterung eingeschlossen. Man wird aus den Gangsta-Träumen herausgerissen. Es geht also letztlich um die Verarbeitung und Artikulation von Gewalt- und Enteignungsstrukturen einer regulierenden Staatlichkeit oder Gesellschaft, die keine generellen Möglichkeiten einräumt. Die Aussage: “Wer ist Mafia? Mafia oder Finanzamt?” erscheint trotz ihrer tendenziell Offenheit suggestiv.

Die Politizität des Song birgt sich entsprechend einer Perspektive politisch-ästhetischer Praxis in der Synthese struktureller Momente einer gesellschaftlichen Wirklichkeit. Wie oben beschrieben ist das Charakteristische dieser Synthese hier die transzendente Form der Ambivalenz. Das ästhetische Element liegt dabei in einer fiktionalen Übersetzung, die im undeutlichen Grenzgebiet von Ablehnung und Affirmation agiert. Hier wird eine spezifische Vagheit kreiert, die für den Neo-Gangsta-Rap charakteristisch scheint. So kann etwa Soufian an anderer Stelle rappen: „Wo ich lebe, da willst du nicht wohn'“ („Hab die Straße im Blut“ – 2017) ohne gleichzeitig zu entscheiden, ob er es denn will. In dieser Vagheit entfaltet sich eine ganze gesellschaftliche Lage und bei genauem Hinhören ihre Komplexität.

Neben der inhaltlichen Gestaltung fällt aber natürlich auch die Sprachlichkeit auf. Hier ist ein spezifischer Slang anwesend, in dem sich Begriffe im Sinne eines Soziolekts mit einer Konnotation verbinden: „Haraket“, „Chaya“ und „Matti“ verweisen auf bestimmte – in ihrer gesamtgesellschaftlichen Lesbarkeit beschränkte – Erfahrungs- und Gesellschaftskontexte. Durch ihre Verwendung übersetzt Hanybal Formen der Alltagssprache in eine Kunstform, die sich gleichzeitig wieder von der Alltagswelt absetzt. In der Vulgarität („Du Bastard“, „ficken“) und den Bildern der Härte kommt darüber hinaus ein provokativer Aspekt zum Ausdruck. Die „Regeln der 'politischen Korrektheit'“ (Scharenberg 2001: 258) und die als beschönigend wahrgenommenen Normen der sprachlichen Akzeptabilität werden in Bezug zu einer gegenwärtigen Form gesellschaftlicher Herrschaft und einer Regulierung des Zugangs zu öffentlichen Diskursen gestellt. Gleichzeitig wird neben dieser anzeigenden Funktion durch die Vulgarität aber auch eine klare Distinktion vom Habitus der Mittelschicht vorgenommen (ebd.). Gangsta-Rap bezieht so in in einer intersektional gegliederten Gesellschaft eine Stellung. Das Ziel der Praxis scheint somit weniger die Aktivierung bestimmter Hörer_innengruppen oder die Übergabe einer Botschaft zu sein, denn eine grundlegende Artikulation.

III.F. Theorien einer Politik der Unbestimmtheit

Das dritte Paradigma findet seine Grundlagen in der analogen Geste des Verwerfens eines klassischen Kommunikationsmodells in den Schriften der beiden französischen Philosophen Jacques Derrida und Jacques Rancière. Entscheidend für den Ansatz ist dabei die Vorstellungen der kommunikativen Bruchstellen und der Kontextunabhängigkeit, die Derrida im Begriff der Iterabilität einführt.


In seinem Aufsatz Signatur Ereignis Kontext (1972) macht sich Derrida gegen das klassische Kommunikationsmodell stark, das Kommunikation als Übergabe einer Botschaft von Schreiber_innen an Adressat_innen konzipiert und hierbei einen bruchlosen, homogenen Kommunikationsraum und einen linearen Verlauf der Mitteilung annimmt. Er argumentiert, dass das Schriftstück in Abwesenheit sowohl von Autor_innen als auch von seinen historischen Adressat_innen lesbar bleibt, es also entgegen klassischer Annahmen gerade kontextunabhängig funktioniert (Derrida 1972: 136, 141). Das Merkmal des Zeichens besteht für ihn darin, dass es außerhalb des Kontext seines ersten Auftretens wiederhol-, aufruf- und zitierbar ist – das heißt: es hat eine iterierbare Form. Derridas Begriff der Iterierbarkeit bleibt aber nicht bei einfacher Mimese stehen; er meint ein Moment, das „Wiederholung mit der Andersheit verbindet“ (a.a.O.: 133). Zum Zweck der Betonung der Form des Zeichens „abstrahiert“ Derrida dabei, wie Butler richtig kritisiert, „von seiner gesellschaftlichen Verfahrensweise“ (Butler 2013: 235).

Die Bedeutung der Bruchstellen, die das Konzept der Iterabilität ermöglicht, werden im Denken des französischen Philosophen Jacques Rancière radikalisiert. Sie sind zentral für das Paradigma der Unbestimmtheit. Für Rancière sind es nämlich gerade diese Brüche, die einen Begriff der künstlerischen Emanzipation zulassen. Im Gegensatz zum Paradigma der Praxis verschiebt er den Blickwinkel und stellt sich nicht die Frage, wie Autor_innen befähigt sein müssen, um ein Kunstwerk zu kreieren, sondern wie das Kunstwerk beschaffen sein muss, um den Zuschauer_innen ein emanzipatorisches Moment zu ermöglichen. Neben dem ersten Bruch zwischen Text und Autor_in wird für ihn also der Bruch zwischen Text und Adressat_in relevanter. Er ist für ihn gar der wirkliche „ästhetische Bruch“ (Rancière 2015: 73).

An diesem Bruch kann sich Rancières Ansicht nach eine punktuelle statutarische Gleichheit zwischen Autor_innen und Zuschauer_innen herstellen. In anderen Worten: Durch diesen Bruch kann es nicht länger die Botschaft eines wissenden Meisters geben, die an seinen unwissenden Schüler überstellt wird, weil er die komplette „Infragestellung des Ursache-Wirkungs-Verhältnisses“ (a.a.O.: 33) bedeutet. Die Brüche fügen zwischen Künstler_in und Zuschauer_in etwas ein, das als „selbständige Sache“ (a.a.O.: 25),[Unbekannt1]  als Widerständiges, in sich selbst eine Distanz trägt. Emanzipation kann also nicht im Erhalt einer Botschaft oder im Kreieren eines Kunstwerks bestehen, das man in der Folge anderen zur Schau stellt. Vielmehr liegt sie ausschließlich in einem ästhetischen Moment, das Autor_in wie Zuschauer_in gleichermaßen fremd ist (a.a.O.: 150), das sie gleichermaßen in den Zustand von Distanz versetzt und somit die hierarchische Ordnung zwischen ihnen aufhebt. Rancière schreibt dazu:

„Der ästhetische Bruch hat somit eine einzigartige Form der […] Wirksamkeit einer [73] Entkoppelung, eines Bruchs des Verhältnisses zwischen den Erzeugnissen des künstlerischen Könnens und den bestimmten gesellschaftlichen Zwecken, zwischen den sinnlichen Formen, den Bedeutungen, die man auf ihnen lesen kann, und den Wirkungen, die sie hervorbringen können; anders gesagt: die Wirksamkeit eines Dissenses.“ (a.a.O.: 72f)

Der Formalismus dieses dissensuellen Paradigmas nötigt die Frage auf, wie ein solches gleichheitliches Distanz-Moment im Kunstwerk konkret angelegt sein soll. Rancière gibt hierzu an, dass das Kunstwerk seine repräsentativen Zwecke aufgeben müsse (a.a.O.:81), auf die Idee einer vermittelbaren Objektivität verzichten müsse und statt dessen auf eine gewisse Art unbestimmt sein solle. Unbestimmt heißt dabei in diesem Sinne, dass sich verschiedene 'Darstellungsfunktionen' auf der gleichen Ebene begegnen und gegenseitig aushöhlen. Rancière spricht weiter davon, dass solche Arrangements keine kommunikative Ursache-Wirkungs-Kausalität mehr anstreben, sondern die „ästhetische Wirksamkeit […] eines Abstandes und einer Neutralisierung” (a.a.O.: 69). Sie erzeugten somit den Effekt der Nachdenklichkeit, im Sinne einer ungerichteten Nachdenklichkeit ohne Kalkül (vgl. a.a.O.: 80).

Um dem Paradigma eine greifbare Struktur zu geben, hilft ein Rückbezug auf Derrida. Während nämlich Rancière selbst pessimistisch scheint diesen Unbestimmtheitseffekt in der reinen Sprache vorzufinden (a.a.O.: 144), so bietet Derrida mit seinem Festhalten an der Idee einer Möglichkeit von Agrammatikalität oder dem konsequenten Unterlaufen eines objektiven Sinns – durch verschiedene Arten von Form, Stil und Inhalt – einen Rahmen, der unbestimmte Sprachlichkeit denkbar macht. Innerhalb der Sprache wird es so möglich, den kommunikativen Aspekt der Sprache selbst infrage zu stellen. Ein konkretes Vorgehen könnte zum Beispiel eine Art katachretische Sprache sein, die durch Bildbrüche selbst eine nachdenkliche Leere erzeugt und der selbständigen Sinnbestimmungen auf Seiten der Adressat_innen bedarf. Metaphern müssen dazu etwa (ähnlich wie es Rancière bei Godard feststellt (a.a.O.: 147,149) aus ihren Geschichten gelöst werden und in einem Kontext erscheinen, der nicht ihr 'ursprünglichen Kontext' oder ein-fach identifizierbar ist, und auf diese Weise eine Art unbestimmter neuer Geschichte erzählen.

Der ganze Effekt, den dieses Paradigma beschreibt, ist dabei unmöglich als „Unterdetermination“ denkbar – das schließen die Polysemie oder die Dissemination (Derrida) des Wortes selbst aus. Vielmehr müsste man, so denke ich, von einer Unbestimmtheit sprechen, in derselben Spielart, in der Franz Kafka sagen konnte, er finde im seinem Urteil keinen Sinn. Es gibt schlichtweg keinen Sinn, der nicht wieder von sich selbst unterlaufen würde, was aber freilich niemanden abgehalten hat, genau diesen Sinn zu suchen.

III.G. Die Ästhetik der Unbestimmtheit in K.I.Z.s 'Urlaub fürs Gehirn'

Die reichlich formal anmutende politische Ästhetik der Unbestimmtheit findet sich praktisch beispielsweise in dem Song „Urlaub fürs Gehirn“ der Berliner Rap-Crew K.I.Z., die seit ihren ersten Veröffentlichungen mit einer übersteigerten ambivalenten Bildlichkeit aufwarteten, in ihrem letzten Album aber eher einen klassischen Stil politischen Raps (s.o.) verwenden.



Die Lines muten in diesem Song wie reine Versatzstücke an und wirken fast als könnten sie auf einer zufälligen Collage von Bildzeitungstiteln basieren, was gerade in der vermeintlichen Widmung des Songs an „gestörte Kids“ und der (sprachlichen an die Titel der Boulevardzeitung angelehnten) „Mutter-verbuddelt-Frühchen-im-Blumenkasten“ als Objekt des 'Satzes' denkbar wird. Innerhalb des Songs erfolgen immer wieder (scheinbar ?) harte Brüche. Die Erzählpersonen stellen der klassischen Aussage, es gebe in Deutschland keine Ghettos (s.o.), die Feststellung entgegen, „wir“ (Deutschen) hätten sie erfunden, womit auf die Ghettos für Juden/_Jüdinnen während des Nationalsozialismus angespielt scheint. Direkt danach geht es um die Lehre aus Siegfrieds und Roys Unfall, man solle nicht mit Weißen (Tigern/Menschen) spielen, und der schwarze Rapper Tarek gibt an, er brauche nicht mit Frauen zu flirten, weil sein Körper, der durch vierhundertjährige Sklavenarbeit wie durch Fitnesstraining geformt sei, alle Frauen direkt überzeuge. Der Versuch einer Interpretation kommt einer Aneinanderreihung der Lines gleich, bei der sich das Gefühl aufdrängt, kaum über den semantischen Wert einzelner Versatzstücke hinausgehen zu können.

In der gesungenen Hook, die im Genre häufig Sinnzusammenhänge pointiert (vgl. oben), wird hier Zerstreuung forciert. Sie bietet verschiedene Anhaltspunkte, die sich alsbald wieder subvertieren. Einerseits gibt es hier ein denunzierendes Spiel mit Geschlechterrollenbildern, die sich in der sexualisierten Anspielung der männlichen Tätigkeit des Hämmerns und der weiblichen des Saugens ergibt, gepaart mit der Verwendung der Rollentypen „Echter Mann“ für Männer sowie „Nutte“ oder „Hausfrau“ für Frauen, die häufig als einzige Spannbreite in der Repräsentation von Frauenrollen (im Rap und außerhalb) angesehen wird. Gleichzeitig bleibt aber die Doppeldeutigkeit der oberflächlichen, stereotypen Darstellung handwerkender Männer und hausarbeitender Frauen erhalten, insofern jede subtilere Sinnhaftigkeit der Aussagen aufgrund der behaupteten „gähnenden Leere hinter meiner Stirn“ fehl am Platze scheint. Somit steht die proklamierte Sinnleere des Songs in einem eklatanten Missverhältnis zur gleichzeitigen ebenso offensichtlich exponierten Sinnleere der Klischees. Zudem wird dies Missverhältnis noch dadurch verstärkt, dass die Sinnleere des Songs mit der tatsächlichen Sinnleere der mechanischen, unreflektierten Tätigkeiten von Presslufthammer und Staubsauger parallelisiert wird.

Die Zeile „Urlaub fürs Gehirn“ verkehrt sich folglich in ihr Gegenteil. Die Hook scheint uns gewohnheitsmäßig zum Nachdenken aufzufordern, in der Erwartungshaltung, hier Auflösung zu erhalten. An dieser Stelle kommt die Interpretation aber kaum über eine Unbestimmtheit hinaus – ein schwierig erträglicher Zustand. „Urlaub fürs Gehirn“ schickt die Hörer_innen paradoxerweise auf eine nicht abzuschließende Sinnsuche: der Song lässt sich, wie oben versucht, in eine Richtung andeuten, aber nicht ausdeuten. Die Hörer_innen bleiben strukturell und explizit immer in einem Raum, in dem ihre Interpretation ganz offensichtlich nur eine mögliche Interpretation bleibt.

Das gilt auch für den Rest des Songs, der auf bizarre Weise eklektisch daherkommt. Gesagt wird, dass „Bullen“ sich als Hilfe im Pornogenre andienen, Tupac besser sei als Notorious B.I.G. („dieser Fettsack“), Rapper Geld als Haifischfutter verdienten. Die Erzählpersonen werden als Minderbemittelte und Zwangsstörungsneurotiker präsentiert, die sich verwöhnen lassen wie Edelzuchtrinder, die „Blumenkohlohren“ haben und Kinder, die in der Schule das Wort „Hurensohn“ eurythmisch darstellen müssen. Letztlich mündet die zweite Strophe in den performativen Widerspruch der Aussage: „Wir sind radiotauglich, du Hurensohn!“, insofern klar sein dürfte, dass eine derart vulgäre Sprache in krassem Kontrast zur Radiotauglichkeit steht.

In dem Song widerstreiten behauptete Sinnlosigkeit, ein vorhandener semantischer Sinn von Bruchstücken und innertextliche Bezüge und Brüche auf Verbalebene – ein Vorgang den Rancière für unmöglich hält. Die so erzeugte „Stille“ (Rancière 2015: 144) bleibt bis zur letzten Strophe bestehen: das unauflösbare und tatsächlich katachretische Bild eines (lautlich) gedämpften (Heroin-)Schusses durch das Kopfkissen; der Anflug von expliziter Politizität in der Anspielung auf die Ermordung Thilo Sarrazins, die aber direkt wieder durch die spektakuläre Absurdität eines Selbstmordanschlags mit „3 Liter Cola mit Mentos“ eingeebnet wird; et cetera. Betrachtet ausgehend vom Paradigma der Unbestimmtheit erzeugt der Rap der Formation K.I.Z. so eine negative Spannung und mit ihr einen gleichheitlichen Effekt zwischen Autor_innen und Adressat_innen, der letztere in einen quasi unbeschränkten interpretativen Raum entlässt. Eine Leere, die zu füllen man bestrebt ist, ohne dabei aber angewiesen werden zu können. Und obwohl das Urteil ebenso gut auf dadaistische Sinnleere fallen könnte, klammert sich die interpretierende Ratio an die sich gegenseitig überflutenden Zeichen.


IV.    Auf dem Weg zu einem politischen Deutschrap?

Die vorherigen zwei Kapitel haben eine Sachlage angedeutet. Innerhalb der differenzierten Topographie des Deutschrap sind politisch-ästhetische Praktiken nicht getilgt, sofern man bereit ist, sich zum Vogelflug über das Feld (vorübergehend) vom deterministischen Standpunkt der Kritischen Theorie zu entfernen. Stattdessen finden politisch-ästhetische Praktiken kontinuierlich, partial, verstreut, ungleichzeitig und inkongruent statt. Ich war darum bemüht, mit dem Paradigma der Entlarvung, dem Paradigma der Praxis und dem Paradigma der Unbestimmtheit drei spezifische unterschiedliche Ansätze zu umreißen und diese dafür zu nutzen, innerhalb des Deutschraps verschiedene Momente politischer Artikulation anzuzeigen. Gleichzeitig habe ich versucht, diese Artikulationen schematisch bestimmten Orte ihrer Wirksamkeit zuzuordnen: dem politischen Rap bzw. Conscious Rap, dem (Neo-)Gangsta Rap und letztlich einer namenlosen ästhetischen Form des Post-Gangsta-Rap, die aktuell in dieser Art so praktisch nur von K.I.Z. besetzt zu werden scheint.


Es liegt konsequenterweise die Frage auf der Hand, ob sich diese Politizitäten (zukünftig) zu einer einzigen verbinden lassen. Ich kann hier nur eine knappe und vorläufige Prognose wagen.

Klar ist, dass die aufgefundenen politisch-ästhetischen Formen heute in einem sich wechselseitig beeinflussenden Feld interagieren und sich historisch entlang spezifischer Bruchlinien verstärkt haben. Die jeweiligen Praktiken stehen also, wie in Kapitel II gezeigt, im Dialog miteinander. Ich meine jedoch, dass die Vorstellungen von Politik, die die jeweiligen Praktiken in Anschlag bringen, dabei aber nicht nur in einem inszenatorischen, sondern häufig auch in einem begrifflichen Widerspruchsverhältnis stehen. Das heißt, sowohl ihre Grundannahmen als auch ihre konkreten Ausformungen in Songs stehen sich teils unversöhnlich gegenüber. Zur Verdeutlichung dieser Tatsache, lohnt es sich einerseits drei Aspekte heranzuziehen und an ihnen die axiomatische Verschiedenheit der Ansätze zu skizzieren:

1) Der Eingriffspunkt: Während eine Ästhetik der Entlarvung den politischen Effekt zwischen Autor_in und Adressat_in ansiedelt, tritt dieser in einer Ästhetik der Praxis maßgeblich zwischen Autor_in und Text hervor und in der Ästhetik der Unbestimmtheit gar zwischen zwischen dem Text und den Hörer_innen, die keine Adressat_innen mehr im wirklichen Sinne sein können.

2) Das Kommunikationsverständnis: Gründet die Ästhetik der Entlarvung ihre Annahmen auf dem klassischen Sender_in-Empfänger_in-Kommunikationsmodell, so lehnt das Paradigma der Unbestimmtheit diese ab. Die Ästhetik der Praxis nimmt hier eine unentschiedene Position ein: eine Mitteilung kann unter Umständen gelingen, unter anderen nicht. Sie muss aber nie.

3) Der Begriff von Emanzipation: Im ersten Modell scheint Emanzipation die Annahme einer bestimmten als progressiv empfundenen ethischen Haltung zu sein, das heißt die aktive 'politische' Positionierung. Im zweiten Modell meint Emanzipation viel eher den Vollzug einer die Konstitutionsbedingungen transzendierenden Handlung, fast schon im Sinne eines 'Doings'. Im dritten Modell wiederum beschreibt Emanzipation den Effekt einer Neubestimmung von Sinnzusammenhängen bzw. ein Neuarrangement von Perspektiven.

Werden hierin bereits deutliche Diskrepanzen sichtbar, so ist es andererseits hilfreich, die jeweiligen blinden Flecken der Paradigmen zu beleuchten, die in ihrer Gegenüberstellung mit den jeweils anderen sichtbar werden.

a) Paradigma der Entlarvung: Erstens liegt ein problematischer Zug des Projekts der künstlerischen Entlarvung und Aktivierung in ihrer Form des realistischen Universalismus, der mit einer bestimmten Überheblichkeit zu sagen scheint: „So und nicht anders“. Die Kritik des Gangsta-Rap am Klassismus anderer Rap-Subgenre verweist hierbei auf die Problematik der Standortgebundenheit jeder Kritik und markiert die Neigung linker, aufklärerischer Kritik, Wissenshierarchien bzw. die Verbindung von Wissen und Macht unproblematisiert zu lassen. Darüber hinaus hat das Modell teils einen suggestiven Charakter, insofern es vornehmlich Hörer_innen als Adressat_innen anspricht, die den gewünschten ethischen Standpunkt bereits teilen. Seine Mitteilungslogik, die von Brüchen abstrahiert und eine direkte emanzipatorische Effektivität annimmt, ist also alles andere als zwingend. Drittens droht dem Modell, insofern es den Begriff der Ästhetik in dem der Politisierung aufgehen lässt, der Verlust des Moments künstlerischer Gestaltung, ohne den jede Praxis, wie Adorno (1974) einmal kritisch zu Brecht und Sartre anmerkte, strukturell ununterscheidbar von Formen totalitärer Propaganda wird.

b) Paradigma als Praxis: Zum einen äußert sich ein ganz grundlegendes Problem des Praxismodells in seiner Abstraktion von den Effekten seines Kunstwerks auf die Hörer_innen. Ein häufiger Vorwurf, der etwa dem Gangsta-Rap gemacht wird, ist seine Ignoranz gegenüber einem multiplikatorischen oder performativen Effekt seiner Gewaltdarstellungen oder Ghetto-Glorifizierung, die bei den Hörer_innen auch in einer unkritischen Affirmation kreierter Bilder enden kann (vgl. hierzu auch den kritischen Song „Gangsta Rap“ von Curse). Zum anderen droht das ästhetische Moment hier das ethisch-politische Moment fast vollständig in den Hintergrund zu drängen. In einer Ästhetik, die die hinwegsetzende Praxis betont, droht das Resultat weniger relevant zu werden. Sexismus, Antisemitismus, Rassismus, Homophobie die innerhalb der Praxis wirken, scheinen so auf kritische Weise unproblematisch werden zu können.

c) Paradigma der Unbestimmtheit: Das große Problem des Ästhetik des Unbestimmten scheint ihr Formalismus zu sein. Zum einen resultiert aus ihm eine Beliebigkeit der Interpretation, die eine fehlende Verbindlichkeit (gerade im Politischen) bedeutet. Zum anderen droht das Kunstwerk in seiner Neutralität nicht mehr als solches erkennbar zu sein, als irrelevant zu gelten, Sinnleere zu signifizieren oder gar das für Kunst notwendige Moment der Unterhaltung zu unterlaufen und schlichtweg keine Hörer_innen zu finden.

Die angeführten Aspekte verdeutlichen, dass eine Synthese der drei Ansätze zu einem einzigen Modell einer umfassenden Politizität des HipHop (vorerst) undenkbar scheint. Ihre widerspruchsvollen Paradigmen und Schwachstellen lassen sich nicht aufeinander reduzieren. Ganz im Gegensatz zu Konversionsfantasien sollte in dieser Arbeit deutlich geworden sein, dass die drei Modelle ihre spezifische Wirkkraft und Politizität zu großen Teilen aus ihren Reibungen mit den jeweils anderen Modellen beziehen. Es bietet sich daher an, diese politisch-ästhetischen Artikulationen gegenseitig als diejenigen Korrektive ins Spiel zu bringen, als die sie auch historisch aufgetreten und wirksam geworden sind. Keine der Praktiken kann einen Anspruch auf umfassende Autorität erheben.

Eine Politisierung des Rap zu wünschen, kann deshalb nicht bedeuten, eine Form politischer Ästhetik durchzusetzen, sondern nur seine Politizitäten zu erweitern, verstreuen und auszudehnen und die verschiedenen Begriffe politischer Praxis weiter miteinander ins Gespräch zu bringen. Der HipHop mag seine politische (Un-)Schuld verloren haben, aber er ist noch lange nicht unpolitisch.

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Rancière, Jacques (2015): Der emanzipierte Zuschauer. 2. überarbeitete Auflage. Wien: Passagen.

Salzborn, Samuel (2015); Das Akademische Karussell: Kritische Theorie 2.0. Auf: publikative.org, 06.01.2015, abrufbar: https://publikative.org/2015/01/06/das-akademische-karussell-kritische-theorie-2-0/ (zuletzt: 24.09.2017).

Sartre, Jean-Paul (1976): Was ist Literatur? Hamburg: Rowohlt.

Scharenberg, Albert (2001): Der diskursive Aufstand der schwarzen 'Unterklassen'. Hip Hop als Protest gegen materielle und symbolische Gewalt. In: Weiß, Anja et al. (Hrsg.): Klasse und Klassifikation. Die symbolische Dimension sozialer Ungleichheit. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 243-269.

Szillus, Stephan (2010): Deutschrap 2000 – 2003. Auf: Juice, 17.12.2010, abrufbar: http://juice.de/deutschrap-2000-2003/ (zuletzt: 24.09.2017).

Wehn, Jan (2011): Deutschrap 2007-2010. Auf: Juice, 26.01.2011, abrufbar: http://juice.de/deutschrap-2007-2010/ (zuletzt: 24.09.2017).


Video-Quellen:

Prezident: im Interview mit rap.de – „Prezident über "Limbus", HipHop-Medien und Smartphones“, abrufbar: https://www.youtube.com/watch?v=NKe_I9BWt_o (zuletzt: 24.09.2017).


[2]    Bass Sultan Hengzt: „Du bist nun viel zu alt, dein Rap ist uninteressant/ Man sieht alles anders mit dem Schwanz in der Hand/ Ich habe kein' Respekt vor der alten Schule/ Ihr seid alles nur Studenten die ständig nach Respekt suchen/ (*alles Huren*)/ Alle fluchen auf Rap, alle verfluchen mein Text/ Weil mein Rap sich durchsetzt/ – Rap-Student dein Rap ist uninteressant/ Du rappst über Probleme/ über Probleme in ganz Deutschland/ Ihr seid Ökos, fickt nur eine Frau/ Standard-Rap den keiner braucht/ Das was euch am meisten liegt:/ Rap über die Politik“. (Rap braucht kein Abitur (Rapstudent) - 2003)

[3]    Die doppelte Frontstellung sowie die Aneignung der Sprachlichkeit wird beispielsweise in dem Song „Spasst“ (2007) explizit. K.I.Z.: „WM Zweitausend SechsSechsSechs/ Die Welt ist zu Gast bei Menschen - fressern/ Mein Kühlschrank ist vollgepackt mit Gangster- und Studenten – Rappern (Spasst)/ […] Du hast dich so verhurt/ Deine Freundin ist feucht wie mein Furz/ Sooo feucht, sie hat Möwen auf der Schulter/ Sie brauch 365 Tage always ultra/ Sie muss einen A.I.D.S.-Test machen, wenn sie aus dem Fahrstuhl geht/Sie stapelt sich nackte Jungs im Zimmer, es sieht aus wie Abu-Ghraib“.

[4]    Z.B. Prezident: „Man sagt, dass ich über Talente verfüge/ Und irrt, denn ich verfüge nicht darüber/ Sind Herz und Seele voll, läuft der Mund über/ Man sagt ich sollte mal mehr Werbung machen, aber mir ist Kunst lieber/ Stetig unzufrieden, Ich gab mich niemals ab mit grundsolide/ Wie Bourdieu, auf der Suche nach den feinen Unterschieden/ Nach dem, was nicht direkt in's Auge sticht/ Im Übrigen ist gar nich so sehr was ich sage, sondern, wie ich's rüberbring'“ („Antimärchen“ – 2013) oder Zugezogen Maskulin: „Rousseau hatte Unrecht/ Es gibt keinen edlen Wilden/ Wir haben ja versucht/ Ihre Leben zu bilden/ Doch sie blieben bei Sternburg, Stulle, Bouletten/Wer sich nicht helfen lassen will/ Den können wir nicht retten!“ („Häuserkampf“ – 2011)

[5]    Allerdings hat sich auch auf der rechtsradikalen Seite ein Pool von Rappern gebildet: MaKss Damage, Dissziplin, N'Socialist Soundsystem sind nur die bekannteren von ihnen.

[6]    Zum Konzept des epischen Theater vergleiche auch die beiden Versionen von Walter Benjamins Aufsatz Was ist das epische Theater? (Benjamin 1991a, Benjamin 1991b)

[7]    Brecht: “Das Theater muß sich in der Wirklichkeit engagieren, um wirkungsvolle Abbilder der Wirklichkeit herstellen zu können und zu dürfen.” (Brecht 1967 Organon: 672)

[8]    Mit dieser Einschränkung ist demnach nicht gemeint, dass das Subjekt in einer völlig verantwortungslosen Beziehung zu den Resultaten seines Sprechaktes steht. Tatsächlich ist ja eines von Butlers zentralen Aufgabenstellungen in Haß spricht, gerade den theoretischen Spagat zwischen Einschränkung der Souveränität und der Verantwortlichkeit für seine Konsequenzen zu machen. Ob es zufriedenstellend gelingt, dieses Verhältnis theoretisch aufzuschlüsseln oder ob hier eine Leerstelle bleibt, ist eine andere Frage (vgl. die theoretisch schwache Argumentation auf S. 252).

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Zitiervorschlag: Florian Rosen (2017): "Politizitäten im Deutschrap", online unter
https://beyonce-seminar.blogspot.com/2017/11/politizitaten-im-deutschrap.html

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