Zwischen Verdrängung und Verarbeitung

von Duygu Ülger

Einleitung

 "It comes as a great shock to discover the country which is your birthplace, and to which you owe your life and your identity, has not in its whole system of reality evolved any place for you."
James Baldwin

Sklaverei, Ausbeutung und staatliche Gewalt begleiten afro-amerikanische Menschen seit mehreren Generationen und manifestierten sich in ihrem Alltagsleben. Die Selbstwahrnehmung der Betroffenen erfolgt dabei nicht ohne Weiteres objektiv und unverzerrt, sondern mit Prägung dieser Ereignisse. Hass, Zorn, Trauer, Einsamkeit beispielsweise sind Merkmale, die entweder zur sozialen Isolation und Abgrenzung führen können, oder aber den Wunsch nach kollektiver Bindung verstärken.

Die in dieser Arbeit zusammengeführten Essays beinhalten eine Auseinandersetzung mit Verdrängung und Verarbeitung der eigenen Biographie, Geschichte und der Erlebnisse. Die Konzepte des „anger“ und der „hatred“ nach Audre Lorde begleiten die Analyse durch alle Essays hinweg. Auch Hooks Konzepte des „internalisierten Rassismus“ und einer „real Sisterhood“ als Lösungsvorschlag wurden herangezogen. Das „Mothering“, welches im letzten Essay dargestellt wird, dient als eine weitere Perspektive auf die Solidarität und Verantwortung unter den betroffenen Frauen.

Zu Beginn wird dafür der Videoclip „Man Down“ von Rihanna, der 2011 ausgestrahlt wurde analysiert. Darin steht das Phänomen der „hatred“ und der Rache im Vordergrund, die keine produktive Arbeit am Sexismus und keine Anknüpfung an eine solidarische Schwesternschaft bietet. Nach diesem Beispiel soll anhand von Lauryn Hills 2012 veröffentlichten Song „Black Rage“ die Notwendigkeit bearbeitet werden, ein tiefgründiges Bewusstsein für die Lebenssituation afro-amerikanischer Bürger zu entwickeln und sich für eine breitere Akzeptanz und Legitimation des „schwarzen Zornes“ einzusetzen, die auf real erlebten bedrohlichen und unmenschlichen Erinnerungen sowie Erfahrungen basiert. Zuletzt wird mit Hilfe von drei Ausschnitten aus dem Film „The Help“ (2011) unter der Regie von Tate Taylor versucht, eine „real Sisterhood“ und das Konzept des „Mothering“ zu visualisieren die auch zwischen weißen und schwarzen Frauen bestehen kann.


Ethnographische Studien der schwarzen Jugend in den 1990ern haben gezeigt, dass die populäre Kultur im Allgemeinen und die Hiphop Kultur im Spezifischen einen großen Einfluss auf die afro-amerikanischen Menschen hatte, wodurch sie ihrem Leben, ihrer sozialen Umgebung, und der Welt um sie herum einen Sinn gaben (Arnett Ferguson 2000 in: Emerson 2002: 115).
In Musikvideos gibt es Beispiele für die Reproduzierung von gängigen Stereotypen die Rana Emerson als hegemoniale Performance bezeichnet, wobei die Möglichkeit besteht gleichzeitig antihegemoniale Botschaften zu vermitteln (vgl. Emerson 2002: 117). Nach der Autorin wird einerseits die Hypersexualität des schwarzen Körpers dargestellt, während gleichzeitig ein Bruch erfolgt, in der Art wie schwarze Sexualität repräsentiert wird.

Auch in diesem Musikvideo gibt es Momente, in denen der Zuschauer von einer Kritik am Sexismus ausgehen kann, doch bei längerer Betrachtung gibt es keine Anhaltspunkte für eine eigene Bestimmung der schwarzen Sexualität oder Autonomie außerhalb vorhandener Darstellungen schwarzer Sexualität.

Schließlich hat auch nach der Autorin Aisha Durham der HipHop-Feminismus als eine politische, intellektuelle und kulturelle Bewegung nichts dazu beigetragen den Dualismus eines guten oder schlechten Mädchens zu überbrücken. Denn Rihanna ist einerseits in der Rolle des Opfers, als gute und soziale Frau, während sie dabei in die Rolle des Täters rutscht und mörderische Racheabsichten hat, die sie ausführt. Sie lässt keinen Platz für eine sinnvolle Auseinandersetzung oder Botschaft jenseits dieser Dichotomie von Gut und Böse übrig.

Der Hass, der in der Protagonistin aufkommt ist einer, der sie letztendlich zum Mord führt. Hier ist ein wichtiger Unterschied zum Konzept von Audre Lorde zu erkennen, in welchem sie einen Unterschied zwischen „anger“ und „hatred“ macht. Diese sollen ins Deutsche als Zorn und Hass übersetzt werden, wobei erstere als produktive Antriebskraft und letztere als Tod und Zerstörung definiert werden (vgl. Lorde 1984: 129). Sie schreibt dazu:
 
 „Anger is useful to help clarify our differences, but in the long run, strength that is bred by anger alone is a blind force which cannot create the future. […] And hatred is a deathwish fort the hated, not a lifewish for anything else“ (Lorde 1984: 152).

Schuld, Hass und Reue die am Ende aufkommen sind somit nicht das nach diesem Konzept zu verfolgende Ziel, sondern ein Symbol der Hoffnungslosigkeit und dem Schutz vor Veränderung, während Zorn als wichtige Quelle der Selbstermächtigung und auch wenn es alleine nicht ausreicht, als Anfang vom Wissen dargestellt wird (vgl. Lorde 1984: 130).

Bezogen auf das Thema der schwarzen männlichen Gewalt, die sich im Videoclip offenbart, soll ein kurzer Einblick in einige Gründe dieser Gewalt eingegangen werden. Diese ist tief in der Geschichte, sowie im Gedächtnis der afro-amerikanischen Menschen verankert, da sie auf der Geschichte der Sklaverei und den Auswirkungen der „white Supremacy“ (vgl. Hooks 1986) basiert.
Einige Konzepte darüber werden im Folgenden herangezogen, um die Komplexität dieses Phänomens zu unterstreichen und aufzuzeigen, dass ein banales Aufgreifen dieses Phänomens Gefahren der Verschleierung und Ignoranz wichtiger Merkmale in sich birgt. Weiterhin soll aufgezeigt werden, dass eine tiefe Auseinandersetzung damit nötig ist, um ansatzweise realitätsbezogene Feststellungen und Kritiken ausüben zu können.
Beruhend auf der Analyse Bukhari-Alsons besteht der Kampf der Freiheit mit seinen Wurzeln beginnend in der Sklaverei und ist bis heute fortlaufend (vgl. Bukhari-Alson 1994: 4). Dabei spricht sie von einer Zerstörung der Kultur durch den Raub von Sprache, Religion und der Kinder. In Bezug zur männlichen Gewalt ist ihre Feststellung, dass den Männern ihre Männlichkeit auf allen Wegen entzogen wurde, von großer Bedeutung. Denn in der Sklaverei konnten die Männer ihre Familie nicht beschützen, während die Frau die Familie vor dem Zorn des Sklavenhalters beschützte. Die verlorene Kultur wurde somit mit der Sklavenkultur gefüllt, in der sie die Meinungen der Sklavenhalter über sich selbst inkorporierten. Rassismus und Selbsthass sind einige Merkmale dieser Gewalt. Das Zusehen während ihre Frauen vergewaltigt, ihre Kinder misshandelt wurden und deren Frauen den weißen Herrinnen dienten, sowie ihre Kinder großzogen war unerträglich für die Männer. Am Ende der Sklaverei waren viele dieser Männer berufslos und ihre Frauen die Haupternährer. Im ganzen Verlauf dieser Erfahrungen versuchen die schwarzen Männer ihre Scham und Schuld für die Geschehnisse nach der Autorin auf dem Rücken der schwarzen Frau auszuhandeln (vgl. Bukhari-Alson 1994: 6-7). Wie Bukhari-Alson ist sich Hooks auch darin sicher, dass die schwarze männliche Grausamkeit und Gewalt gegenüber schwarzen Frauen ein Produkt der patriarchalen Ausbeutung und Unterdrückung ist (vgl. Hooks 2016). Dass die Auseinandersetzung mit äußerlichen Erscheinungen von Rassismus und Sexismus nicht ausreichen für eine fruchtbare Basis der Analyse wird anhand der oben genannten Aspekte deutlich (vgl. Lorde 1984: 147).
Geht man dabei einen Schritt weiter, besteht bei dieser äußerlichen/oberflächlichen Darstellung im Musikvideo eine weitere Gefahr der Reproduzierung herrschender Bilder der Weißen Dominanz. Hooks erzählt dazu eine passende Erinnerung aus der Erziehung in ihrer Kindheit:

 „In the absence of the reality of whiteness, I learned as a child that to  be „safe“ it was important to recognize the power of whiteness, even to fear it, and to avoid encountering it. There was nothing terrifying about the sharing of this knowledge as survival strategy“
   (Hooks 1992: 344).

Der Sexismus ist in institutionellen und sozialen Strukturen, aber auch in den Menschen die dominieren und unterdrückt werden verankert. Wie Hooks oben anführt handeln Letztere dabei in einer Einheit mit dem Status quo (vgl. Hooks 1986:127). Als Lösungsansatz schlägt sie dazu Folgendes vor: 

„Women of colour must confront our absorption of white supremacist beliefs, 'internalized racism', which may lead us to feel self-hate, to hurt and abuse one another[…]“ (Hooks 1986:134).

Das Aufzeigen eines schwarzen Mannes und eines Gebietes, in dem überwiegend schwarze Menschen wohnen, hebt den Aspekt der Männlichkeit und die der Ethnie stark hervor. Es gibt eine Bandbreite an Stereotypen über schwarze Männer, dass sie gewalttätig seien. Im Allgemeinen besteht im Videoclip die Gefahr, dass diese weiter ausgebreitet werden und die Abneigung gegenüber die schwarze Community zunimmt (siehe auch Crenshaw 1993: 1253,1271). Auch Nicole Fleetwood stellt in Bezug auf Rihannas Videoclip fest, dass ihre Erkundung der Sexualität und intimen Beziehungen Verbindungen zu stark erotisierenden Formen der rassialisierten und maskulinisierten Gewalt offenbaren (vgl. Fleetwood 2012: 421). Eine interessante Frage dabei wäre, welche Auswirkungen es auf die Öffentlichkeit hätte, wenn der Täter, der sie im Videoclip vergewaltigt, ein weißer Mann wäre?

Eine andere, positive Sichtweise auf den Videoclip kann die Chance sein, das Phänomen der sexuellen Gewalt an Frauen durch dieses Medium der Musik den Zuhörern näher zu bringen, da Crenshaw zufolge beispielsweise Vergewaltigungen als privat und abweichend angesehen wurden, während nun durch die Politisierung und Zusammenfindung der Frauen ein breitgefächertes System der Dominanz anerkannt wird (vgl. Crenshaw 1993: 1241). Trotz dessen ist eine solche Darstellung problematisch und nicht ausreichend, um eine konstruktive Kritik auszuüben und Botschaften zu vermitteln. Im Vergleich dazu behauptet Hooks bezogen auf Beyonce, sie würde in ihrem Album „Lemonade“ oft genug den stereotypischen Rahmen bedienen, in dem die schwarze Frau immer ein Opfer ist. Wie Beyonce ihren Zorn zelebriert und ihre Gewalt auslässt, besteht die Übertragungsmöglichkeit auch auf Rihannas Videoclip „Man Down“. Des Weiteren spricht sie in einem anderen Beitrag im Jahre 2016 von der Welt als Zielgruppe, die Beyonce als Welt des Geschäftes sieht und dass Geldmacherei keine Farbe hat (vgl. Hooks 2016).
Schließlich ist festzuhalten, dass Beyonce´s Feminismus nicht zu trauen ist, da sie keine patriarchale Beherrschung und auch nicht das System der Dominanz herausfordert, sowie keine Hervorhebung der Intersektionalität von Klasse, Geschlecht und Ethnie (race) macht (vgl. Hooks 2016). Die Analysen über Beyonce können auch auf Rihanna übertragen werden.

Ein anderer Aspekt der Wut, der Selbstermächtigung und Ermordung ihres Peinigers kann in Verbindung mit der Situation von schwarzen Frauen gebracht werden, die kein Vertrauen in die Institution der amerikanischen Polizei haben. Auch der Schutz vor einer öffentlichen Beurteilung etnisch untergeordneter Gruppen und die Verhinderung der Übergabe der eigenen Kontrolle an die Polizei sind Gründe die zur Reproduktion von Gewalt führen können (siehe auch Crenshaw 1993: 1257). Somit ist der Rassismus, der als einer von vielen Gründen für die männliche Gewalt gilt, auch eine Ursache, die Frauen davon abhält polizeiliche Unterstützung zu erhalten. Schließlich entsteht eine Kette der Gewalt (vgl. Crenshaw 1993 1257-1258).

Politik und Rassismus als beherrschende Faktoren erlauben den marginalisierten Menschen nicht, in ihr eigenes Leben und ihre Erfahrungen zu schauen. Dadurch besteht die Pflicht zu einer geteilten und wachsenden Bewusstheit, zur Entwicklung einer Politik, die deren Leben verändert und ihre Unterdrückung beendet (vgl. Black Activist Issue Sommer 2013: 60). Unsere Entwicklung muss geknüpft sein an die gegenwärtige ökonomische und politische Position schwarzer Menschen.
Deswegen soll im Folgenden Lauryn Hills Song angeführt werden, da in ihm ein Prozess der Bewusstwerdung und Erinnerung zu erkennen ist. Diese soll anders als im ersten Beispiel als eine Verarbeitung interpretiert werden, sowie als Basis für eine wahre Sisterhood die im letzten Abschnitt „The Help“ dargestellt wird, dienen.


"Black Rage is founded on blocking the truth"
                    Lauryn Hill

Dieser Song wurde ausgewählt, um eine tiefgreifendere Auseinandersetzung mit dem Leben als schwarze Person zu veranschaulichen. Im Vergleich zum ersteren Song gibt es hier wichtige Anregungen zum Nachdenken, zur Erinnerung und zur Bewusstwerdung.

Alltagsbewältigung, Unverständnis und Leugnung des Rassismus von weißen als auch schwarzen Menschen erschweren die unverzerrte Betrachtung der eigenen Realität. „Black Range“ ist nach Lordes Konzept des „anger“ eine Quelle dafür, um zusammenzuhalten, sowie Stärke und Kraft füreinander innerhalb des Alltags zu schöpfen. Interessant ist hierbei ihre Aussage, dass wenn jemand diese schwierige Aufgabe nicht lernt, nicht überleben kann (vgl. Lorde 1984: 129).

Die Kritik an der Leugnung oder dem Unverständnis gegenüber dem „Black Range“ ist in Bezug auf den Zorn eine wichtige Vorgehensweise, da durch den Zorn der ausgesprochen wird, sich eine Selbstermächtigung bildet und der Aufruf dazu, die Realität zu akzeptieren und nicht zu schweigen. Mit Anknüpfung an Lorde wird somit der Zorn nicht versteckt, um dem Gegenüber seine Schuld zu ersparen, sondern dieser wird ausgedrückt um den Anderen damit zu konfrontieren (vgl. Lorde 1984: 130). Beispielsweise sehen nach Hooks einige Weiße die Kritik an Weißen als einen Rassismus an, der die Gleichheit der Menschen angreifen würde. Doch auch wenn sich viele dieser Menschen als liberal und antirassistisch beschreiben, nehmen diese weiterhin Teil an der weiteren Verbreitung der „Whiteness“ (vgl. Hooks 1992: 340).

Mit Hilfe der Aufzählung und Erinnerung erfolgt dementsprechend eine Autorität über die eigene Definition und anders als bei „Man Down“ werden verschiedene Aspekte des schwarzen Lebens in den USA angesprochen, die einen fruchtbaren Boden für Solidarität, Stärke und intellektuelle Entwicklung bieten (siehe auch Crenshaw 1993: 1242, Emerson 2002: 125).

Im Songtext gibt es viele Passagen über Selbstleugnung und Selbsthass, den sie versucht dadurch zu erklären, dass dieser mit der Geschichte der Sklaverei, radikaler Leugnung, mit sozialer Kontrolle, Gewalt, Mord und Bedrohung der Freiheit entstanden ist. Die Begründungen und Aufzählungen des „Black Rage“ dienen gleichzeitig auch der Bewusstwerdung der Quelle des Selbsthasses, der nicht aus eigener Hand entstand, sondern tiefliegende Gründe hat und physisch als auch psychisch verläuft. Hier ist es hilfreich Hooks Definition von schwarzen Menschen anzuführen, die genau diesen Selbsthass in sich tragen und somit ihre eigene Identität durch die „white supremacy“ formen lassen:

„Now many black people […] do not know themselves seperate from whitness,do not know the things we call „difference.“ Though systems of domination, imperialism, colonialism, racism, actively coerce black folks to internalize negative perceptions of blackness tob e self-hating, and many of us succumb, blacks wo imitate whites (adopting their values, speech, habits of being, etc.).“ (Hooks 1992: 338).

Auch Michel Foucault bezeichnet die Erinnerung als eine Art Resistenz, denn mit Hinblick auf Hooks Feststellung benötigen afro-amerikanische Menschen eine neue Definition ihrer Selbst und ihrer Geschichte. Er bezeichnet diese Veränderung als eine, die sich von der Verurteilung der Vergangenheit zu einer Wahrheit in der Gegenwart entwickelt, wobei die Erinnerung dazu verhelfen soll die Gegenwart zu ändern und zu verstehen, indem das Verhältnis zur Vergangenheit neu geformt wird (vgl in Hooks 1992: 344). Lauryn Hills Song trägt somit zur Verhinderung der Assimilation und Vergessenheit bei, zur Auslöschung der Erinnerung. Während eine Viktimisierung in Rihannas Song vorhanden ist, kann hier von einem Verarbeitungsprozess gesprochen werden der dazu verhilft „to decolonize our minds and our imaginations“ (Hooks 1992: 346). Schließlich zeigt dieser Song auf, wie schwierig es ist zu seinen eigenen Wurzeln zu finden und seine Identität selbstbestimmt zu erarbeiten, aufgrund der äußerlichen „weißen“ Bedrohung und Gewalt, die internalisiert wird.

Bevor überhaupt ein Kampf für Freiheit gewährleistet werden kann, muss nach Hill eine Akzeptanz der reinen Existenz der Betroffenen Menschen stattfinden, die in Stille, sozialer Kontrolle und Unsichtbarkeit leben. Auch Bukhari-Alson spricht von einem solchen Kampf um die Anerkennung als menschliches Wesen (vgl. Bukhari-Alson 1994: 12). In Bezug darauf ist die Behauptung Hills relevant, die besagt, dass sie niemals ihre Seele besitzen können, denn die Unterdrücker sollen am meisten davon profitieren, wenn man sich selbst nichts mehr zu geben hat, die Würde und Menschlichkeit einem genommen wird, wobei der Heimatort verschwindet, in dem man sich regenerieren kann (vgl. Hooks in: Oka 2016: 51). Somit dient die Seele als ein Schutzmechanismus und wichtiges Eigentum, das vor Kolonialisierung geschützt werden muss.

Innerhalb des Songtextes erinnern die Passagen „Threatining your freedom to stop your complaining. Poisoning your water while they say it´s raining, they call you mad for complaining, complaining“ und „drugging the youth“ an die Feststellung von Ta-Nehisi Coates in seinem Buch „Between the World and Me“. Darin macht er einen Vergleich zwischen den von Schwarzen bewohnten Vierteln und der Schule. Die Schulen könnten dabei keine Wahrheiten aufdecken, sondern sie vertuschen. Dabei dienen für ihn die Schulen und die Straßen als die Arme ein und desselben Biestes. Die einen genießen dabei die Macht des Staates, während die anderen von dessen Sanktionen leben. Beide haben gemeinsam, dass Angst und Gewalt deren Waffen sind. Das Versagen in der Schule führt einen zurück zu den Straßen, während die Verstoßung von der Institution Schule durch individuelle Schuldzuschreibung legitimiert wird und jeder für selbst für sein Schicksal verantwortlich sei (vgl. Coates 2015: 33). Somit wird in diesem Song das, was als selbstverschuldet und als wesentliches Merkmal der Gruppe dargestellt wird, entblößt als etwas bewusst Herangeführtes (poisonig your water).

Im nächsten Abschnitt sollen somit Beispiele einer Auseinandersetzung mit Erlebnissen, Leid und Erinnerungen anhand von drei zusammenhängenden Abschnitten aus dem Film „The Help“ erfolgen. Diese wurden auf der Basis des „anger“ und einer „real Sisterhood“ ausgewählt, da sie Solidarität, Konfrontation und Verantwortung behandeln. 


 „But anger expressed and translated into action in the service of our vision and our future is a liberating and strengthening act of clarification, for it is in the painful process of this translation that we idetify who are our allies with whom we have grave differences, and who are our genuine enemies.“
                                                                             Audre Lorde

„Anger“ ist der Beweggrund der Hausmädchen im Film, der sie dazu befähigt ihre Angst zu überwinden. Die gegenseitige Vertrautheit unter den Hausmädchen und auch zur Autorin Skeeter erschafft eine Plattform zur Verarbeitung der Erlebnisse und Erfahrungen die sie gemacht haben. Beispielsweise spricht Alicia Bierria davon, dass Menschen die eine Gemeinschaft innerhalb einer gewalttätigen Beziehung teilen, diejenigen sind, die eine wirkungsvolle Antwort haben (vgl. Bierria 2011-2012: 101). Somit stellen die Hausmädchen in diesem Film eine gute Gelegenheit dar, ein Beispiel für eine funktionierende reale Schwesternschaft darzustellen. Die Verfasserin der Interviews, Skeeter, dient als ein Beispiel für eine weiße Frau, die die Bedürfnisse und Lebensumstände der schwarzen Frauen anerkennt und somit ein sinnvoller und ehrlicher Austausch zwischen ihnen stattfindet (siehe auch Lorde: 1984: 126).

In der ersten der ausgewählten Szenen erhält Skeeter, die das Buch schreibt und die Interviews führt von ihrer Vorsitzenden aufgefordert, weitere Geschichten der schwarzen Hausmädchen zu sammeln, weil ansonsten der Abbruch des Projektes droht. Dadurch, dass es rechtswidrig und bedrohlich für die Hausmädchen ist, hatten nur zwei von allen Hausmädchen die Bereitschaft ihre Geschichten zu erzählen.

Beide Hausmädchen, die sich bereit zur Teilnahme am Projekt erklären leben in Angst und sehen ihre eigenen Taten als verrückt. Auch die anderen Hausmädchen stufen diese, die ihr Leben riskieren als verrückt an. Im Leben der schwarzen Menschen besteht nach Hooks eine fortwährende Angst in allen Bereichen ihres Lebens, durch eine konstante Erinnerung an weiße Kontrolle und Macht, die diese Menschen einschüchtert. Doch auf der anderen Seite haben schwarze Feministinnen offenbart, dass sie ab dem Zeitpunkt, an dem sie Konzepte patriarchaler Regierungen, des Sexismus, Rassismus und Feminismus kennenlernten, aufgehört haben sich als verrückt zu sehen (vgl. Black Activist Issue Summer 2013: 60). Somit haben sie sich Kompetenzen angeeignet, die Erlebnisse in Worte zu fassen und die Annahme der eigenen Verrücktheit durch eine komplexe Auseinandersetzung zu reduzieren.
Die Rolle die Skeeter im Film einnimmt ist eine die zeigt, dass für eine wahre Schwesternschaft Frauen die Verantwortung übernehmen müssen, sich auch gegen Unterdrückung einzusetzen, die sie nicht direkt betrifft (vgl. Hooks 1986: 137). Hooks sagt als weiteren Lösungsansatz, dass Frauen helfen müssen, die Richtung in der feministischen Bewegung zu ändern, ihre rassistische Sozialisation abzulegen und in Kontakt mit Women of Colour zu treten, sodass eine rassistische Unterdrückung verhindert wird, und es ein Ende nimmt nichtweiße Frauen bewusst oder unbewusst zu verletzen (vgl. ebd. 134). Somit muss innerhalb des Feminismus eine Teilnahem am Rassismus, Sexismus und Klassismus von Seiten der Frauen erfasst und analysiert werden, um die Mitwirkung darin zu reduzieren, damit eine wahre Schwesternschaft entstehen kann (vgl. ebd. 128).

Auch wurden die Szenen ausgewählt, um das Konzept des „Mothering“ als soziale Praxis (vgl. Oka 2016:51) zu veranschaulichen. Diese beinhaltet die Erforschung wie wir uns reorganisieren um gemeinschaftliche Bedürfnisse in diesem historischen Moment zu decken (vgl. Oka 2016: 53), die Kapazität resiliente Individuen zu erziehen und autonome Gemeinschaften der Resistenz zu bilden (vgl. Oka 2016: 53). Lorde sagt dazu, dass afrikanische Frauen wissen und das in vielen Quellen in der Literatur festgehalten wird, dass ihre Vorfahren und Vormütter zusammengehalten haben durch Zärtlichkeit, nach der sie sich heute sehnen und davon träumen. In Unterstützung und Zusammenhalt liegen die Möglichkeiten (vgl. Lorde 1984: 152). Die in diesen Abschnitten vermittelten Bilder deuten hierbei auf die Bereitschaft hin, die Verantwortung dafür zu übernehmen Konflikte konstruktiv zu nutzen, als eine Möglichkeit unser Verständnis füreinander zu verbessern und als eine Anleitung für die Rahmenbedingungen unserer politischen Solidarität (vgl. Hooks 1986: 125). Im Allgemeinen besteht das „Mothering“ in der hingabe und Verpflichtung zum Überleben, sowie im Gedeihen und Aufblühen in anderen Körpern und Seelen. Genau diese revolutionäre Praxis schaffen die Hausmädchen gemeinsam mit Skeeter zu etablieren.

Des Weiteren ist in allen drei angegebenen Abschnitten der Wert und die Antriebskraft des „anger“ erkennbar. Denn die Frauen kämpfen um ihr Überleben, sind immer in Gefahr und konfrontiert mit Machtlosigkeit und Unterdrückung. Hierbei konzentrieren sie sich um ihre Alltagsbewältigung und um den Schutz ihres Körpers, sowie ihrer Kinder. In diesen Lebensumständen erschwert sich eine Anknüpfung an diesen revolutionären Kampf, den sie meistern. Aufgrund einiger Vorfälle, wie die Verhaftung ihrer Kollegin, sehen sie sich durch ihren „anger“ gezwungen zu handeln, vernetzen sich und möchten ihre Stimmen nach außen erhören lassen. Im zweiten und dritten Abschnitt erkennt man die Entwicklung eines Selbstbewusstseins durch den Prozess des Erzählens und der Solidarität untereinander, welches Mut und Freiheit gewährt.
Umso wichtiger wird die wahre Schwesternschaft im Hinblick auf das Desinteresse, die Leugnung und das Unverständnis der weißen Frauen auf die psychologischen Auswirkung ihrer Dominanz auf die schwarzen Frauen (vgl. Hooks 1992: 346).
Knüpfend an Hills Song ist hier ein Kampf um die Akzeptanz und Sichtbarmachung ihrer Lebenslage zu erkennen. Die Gewalt und Morde, sowie die gravierenden Auswirkungen auf die Zurückgebliebenen wird an dem Sohn Aibileens deutlich, die wie Franz Fanon im ersten Abschnitt beschreibt, dass sie ihr ihren Atem genommen haben. Dazu sagt Cynthia Dewi Oka:

„The revolutionary struggle against a colonial, racist, hetero-patriarchal capitalism which has for centuries seperated us; arranged us in structured oppositions to each other; reduced our bodies to raw resources for abuse, exploitation and manipulation; and, in the words of Frantz Fanon, occupied our breathing, is today the struggle for a world (Oka 2016: 51).


Fazit


Die Schwierigkeit der Organisation untereinander kann dadurch begründet werden, dass an vielen Fronten gekämpft wird. Sei es der Einfluss der Klasse, des Sexismus und Rassismus, wobei der Sexismus von weißen und schwarzen Männern erfolgt. Auch innerhalb des Feminismus sind die Spaltungen und die Behauptung einer universalen Schwesternschaft problematisch, da wie oben aufgezeigt eine ethnische Privilegierung/Unterordnung innerhalb der Frauen erfolgt (vgl. Black Activist Issue Summer 2013: 61, Crenshaw 1993: 1242, 1250- 1251).

Bell Hooks plädiert für die Konfrontation und Änderung einer Politik der Dominanz, die sich in imperialistischer, rassistischer, kapitalistischer und sexistischer Unterdrückung niederschlägt, damit eine neue soziale Ordnung entstehen kann (vgl. Hooks 1986: 126) Dafür sind mehr Forschung und Schriften nötig, um uns über unsere Barrieren zu informieren und über Wege, wie so eine Trennung untereinander überwunden werden kann (vgl. ebd: 134). Dafür muss über einen Männerhass und über die Feindseligkeit hinaus ein Verständnis für Solidarität entwickelt werden, das eine langwierige Verpflichtung bietet und tiefer als bloße Unterstützung liegt. (Hooks 1986: 38).

Aufgrund der Pflicht zur Konfrontation sind die obigen Konzepte der „real sisterhood“ und des „Mothering“ in dem Sinne hilfreich, als die dazu verhelfen, eine gesunde Liebe zu uns selbst und unseren Schwestern, sowie zur Gemeinschaft zu entwickeln, die uns erlaubt unseren Kampf fortzuführen (vgl. Black activist Issue Summer 2013: 60).

Auch Ta Nehisi Coates spricht von einem lebenslangen Kampf, das geführt werden muss. Auch wenn die polizeiliche Gewalt und die Unsichtbarmachung staatlicher Gewalt und vieles mehr diese Aufgabe erschwert, ist sie umso wichtiger für das Überleben. Wie er auch in seinem Buch berichtet, beschützt das Gesetz die schwarzen Menschen nicht und es herrscht ein lebenslanger Krieg über den Besitz des Körpers der Schwarzen Menschen (vgl. Coates 2015: 18). Lauryn Hill spricht deswegen in ihrem Lied davon, dass sie ihre Seele niemals besitzen können.
Doch um die Dominanz des Weißseins zu durchbrechen muss die Auseinandersetzung somit immer gewährleistet werden, damit der Terror durchbrochen wird, erst dann wird das was Baldwin sagt wahrhaftig zustande kommen:

„This world is white no longer, and it will never be white again.“
(James Baldwin in: Bell Hooks 1992: 346)

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Literaturverzeichnis

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