To Throw Another Log on the Fire. Ein Mixtape in Betrachtung der L.A. Uprisings von 1992

von Jan-Lukas Lauer


1. Einleitung

Am 29. April 2017 jährten sich die L.A. Uprising oder L.A. Riots[1] von 1992 zum 25. Mal. Über vier Tage erlebte Los Angeles schwere Ausschreitungen, in deren Zusammenhang es zu vielen Toten und Verletzten kam und die zu den bedeutendsten der jüngeren Geschichte der USA zählen. Für eine genauere Betrachtung ist es jedoch nicht einfach das Vierteljahrhundert, das die Ereignisse von 1992 zu einem bedenkenswerten Jubiläum macht. Auch die Heftigkeit und Gewaltigkeit im Sinne einer singulären Katastrophe, würde sich nicht als Grundlage einer kritischen Auseinandersetzung eignen. Die L.A. Uprisings stehen exemplarisch für Unruhen, die im Zusammenhang mit sozialen Konflikten und Spannungen stehen. Dabei wird deutlich, dass es sich eben nicht um einen vereinzelten Moment, nicht einfach nur um den temporären Ausnahmezustand vom sonstigen Normalzustand handelt. Sowohl vor als auch nach 1992 kam es immer wieder zu sozialen Unruhen: 1965 in Watts/Los Angeles, 2005 in Paris, 2011 in London, 2014 Ferguson um nur einige zu nennen[2]. Es geht also nicht nur um das wiederkehrende Ausbrechen von gewaltvollen Protesten und sozialen Unruhen, sondern eher um konkrete Aspekte sozialer Verwerfungen, die weiterhin sehr aktuell sind. Zentral sind hierbei insbesondere Armut, Rassismus und Polizeigewalt. In dieser Arbeit möchte ich die Ereignisse in Los Angeles von 1992 betrachten, dabei verschiedene Aspekte beleuchten und mich so der Frage bezüglich des politischen Charakters der Uprisings nähern.

Die nachfolgende Arbeit soll in der Form eines Mixtapes gehalten werden. Thema sind, wie bereits genannt, die L.A. Uprisings von 1992. In diesen verdichten sich verschiedene Aspekte, die Ausganspunkt für die Beleuchtung sein sollen. Im Sinne eines Mixtapes wird es sich also um eine Zusammenstellung von Elementen handeln, die eine Collage und im Gesamtbild ein Ensemble bilden. Das Mixtape besteht aus fünf verschiedene Songs. Jeder Song leitet ein Thema bzw. Kapitel ein. Verbunden sind sie durch das übergeordnete Thema. In ihnen lassen sich thematische, kulturelle oder historische Verweise finden. Sie geben Stichworte für eine nähere Untersuchung und stellen Perspektiven dar. Das bedeutet jedoch nicht, dass es sich um eine kulturwissenschaftliche Arbeit handeln wird. Es sollen Elemente aufgenommen und weitergesponnen werden, die so eine facettenreiche Perspektive ergeben und eine kritische Untersuchung gesellschaftlicher Verhältnisse ermöglicht. Ähnlich dem klassischen Mixtape (auf Kassette), bei dem nicht von einem Song zum nächsten gesprungen werden kann, soll das Zusammenspiel ein Bild ergeben. Auch wenn manche Aspekte zunächst nebeneinander zu stehen scheint, gibt es viele verbindende und vermittelnde Elemente. So ist eine in den Songs immer wieder auftauchende Metapher das Motiv des Feuers. Der Bezug zu den Uprisings ist hierbei nicht nur sinnbildlich, sondern auch in übertragender Bedeutung zu verstehen. Auch das Motiv der Wut auf immer wieder erfahrenes Unrecht ist ein Motiv, das sich an den thematischen roten Faden anlehnt.

Darüber hinaus ist es auch wichtig zu betonen, dass die Zusammenstellung des Mixtapes und damit verbunden meine Sprecherposition in dieser Arbeit hochgradig subjektiv sind. Gerade bei Themen wie Rassismus oder Racial Profiling bedeutet das auch, dass ich nicht die Position betroffener Personen einnehmen kann. In diesem Sinne versuche ich vielmehr Ausschließungspraxen zu rekonstruieren (vgl. Hall 2016, 173).

Wie bereits erwähnt, zielt meine Fragestellung auf den politischen Charakter der Ereignisse von 1992 ab. Dass dies einer genaueren Betrachtung bedarf, zeigt nicht zuletzt die Art und Weise, in der die Los Angeles Uprisings oder ähnliche Ereignisse oft als unpolitische Akte der Zerstörung und Plünderung abgetan werden. In einem ersten Schritt werde ich daher die Uprisings von 1992 rekonstruieren (2.1.) und sie in Bezug zu denen von Watts 1965 setzten und damit kontextualisieren (2.2.). Daran anschließend werde ich versuchen einige zentrale Elemente und Strukturen herauszuarbeiten (2.3.). In einem zweiten Schritt soll die Rolle der Polizei bzw. der Polizeigewalt genauer betrachtet werden (3.). Abschließend werde ich versuchen die Frage nach dem politischen Charakter zu beantworten (4.). Dabei wird mein Vorgehen im Stile des Mixtapes bleiben. Das bedeutet, dass es sich eher um ein Ensemble handelt und auch das letzte Kapitel kein klassisches Fazit darstellen wird.

2. Uprisings



„Why do you insist on keeping us caged?
You know all that does is intensify rage
The word knowledge sees the time
And all power to the people!
Power to the people
Then I threw another log on the fire“
(What is a Man – Watts Prophets, 1971)

Die aus Kalifornien stammende Spoken-Word Gruppe Watts Prophets beziehen sich in ihrem Song „What is a Man“ auf die rassistischen Verhältnisse in den USA. In der Frage „Why do you insist on keping us caged?“ steckt neben einer Anklage der herrschenden unterdrückenden, rassistisch motivierten Mechanismen ein direkter Verweis auf die Sklaverei in den USA, in deren Kontinuität diese stehen. Denn auch wenn die Sklaverei offiziell beendet ist und verfassungsmäßige Gleichberechtigung gilt, herrschen weiterhin Rassismus und brutale Diskriminierung auf vielfältigen Ebenen[3]. Die Reaktionen auf diese Verhältnisse sind zunehmende Wut und Gegenwehr – gerade auch im Sinne von Selbstverteidigung. Diese Wut kann also eine Basis für Widerstand und den Aufbau von Gegenmacht sein.

Jede Strophe des Songs endet mit dem Satz „Then I threw another log on the fire“. Dies kann sowohl metaphorisch als auch ganz konkret in Bezug auf gewaltsame Ausbrüche der lange genährten Wut verstanden werden – die Ausschreitungen in Los Angeles von 1965 und 1992 sind hier sinnbildlich. Das Motiv des Feuers – sei es lodernd oder schwelend – zieht sich dabei wiederkehrend durch die Geschichte und begleitet auch meine Arbeit. Dem entsprechend kann der Song der Watts Prophets in diesem Mixtape als Ausgangspunkt verstanden werden.

Im Folgenden werde ich die Uprisings in Los Angeles von 1992 betrachten und in ihren wesentlichen Aspekten rekonstruieren (vgl. 2.1.). Um dabei weitere strukturelle Elemente herauszuarbeiten, werde ich im Anschluss auf den Aufruhr in Watts von 1965 eingehen (2.2.). Diese galten bis dahin als eine der schwersten in der Geschichte der USA und können als eine Art Referenzpunkt für die Betrachtung der Ereignisse von 1992 nützlich sein. Dabei geht es nicht um einen direkten Vergleich, sondern um den Versuch einige zentrale Elemente herauszuarbeiten. Hierzu werde ich noch auf die Hintergründe eingehen (vgl. 2.3.).


2.1. Get the Fist – L.A. Uprisings 1992




„Get a taste of the heat while I burn down the streets
Time to recognize who wore the white sheets
Gafflin me up and I'm fightin cause they got me
Known as a King knowin what they did to Rodney
I know you know the deal, it's open season on my race
I'm black and I'm proud to be lootin in your face“


(Get the Fist - King Tee; 1992)

Der Song „Get the Fist“ von der Gruppe Get the Fist Movement, hinter der die Künstler* King Tee, Yo-Yo, MC Eiht, Cypress Hill, Da Lench Mob, Kam, Threat und Ice Cube stehen, ist eine unmittelbare Reaktion auf die Ausschreitungen von 1992 in Los Angeles und damit das vorausgegangene Rodney King Beating sowie den Freispruch im Prozess gegen die beteiligten Polizisten. Der Grundtenor des Songs ist Wut, die aus gewaltvollen Erfahrungen mit Rassismus und Polizeigewalt herrührt. Im ersten Vers bringt King Tee das Motiv des Feuers auf: „Get a taste of the heat while I burn down the streets“. Der primäre Bezug ist hierbei das Feuer und die Brände während der Ausschreitungen selbst. Die adressierte Person soll sowohl die Hitze des Feuers in der Straße als auch die der Wut zu spüren bekommen. Aber auch darüber hinaus kann das Motiv des Feuers hier als eine Variation des Feuers bei den Watts Prophets interpretiert werden. Ein wütendes Feuer das Ausbricht und Zerstörung bringt, nachdem es bereits lange geschwelt hat. Die „white sheets“ sind ein Verweis auf den Ku-Klux-Klan und damit auf rassistische Strukturen, von denen tödliche Gewalt ausgeht und die bis tief in staatliche Institutionen reichen. Die Konsequenzen, die aus der Misshandlung Rodney Kings durch weiße Polizisten zu ziehen sind, können für King Tee nur in Widerstand und Gegenwehr liegen – „gafflin me up and I’m fightin“. Dabei wird auch das „looting“ als Teil dieses Widerstands verstanden. In den folgenden Strophen sprechen die Künstler* weitere Aspekte der Ereignissen von 1992 in einem politischen Sinne an. So z.B. die Rolle der Straßengangs in Los Angeles – hauptsächlich Bloods und Crips – die einen Waffenstillstand vereinbart hatten, woraufhin die Gewalt innerhalb der Community spürbar zurückgegangen war.

In der Nacht vom 3. März 1991 wurde Rodney Glen King im Anschluss an eine Verkehrskontrolle von vier weißen Beamten des Los Angeles Police Department brutal geschlagen und misshandelt. King war mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren und hatte aus Angst vor den Konsequenzen, da er alkoholisiert fuhr und damit gegen seine Bewehrungsauflagen verstieß, trotz der Aufforderung nicht angehalten. In einem Wohngebiet wurde er gestoppt (vgl. Rosegrant 2000, 5). Als er als letzter der Insassen das Auto verließ, wurde er gewaltsam zu Boden gebracht. Die Polizisten berichteten später, King solle sich beim Versuch seiner Verhaftung gewehrt haben, was sie zur Annahme gebracht hätte, er befinde sich unter dem Einfluss von PCP[4]. Dies stellte sich später als falsch heraus. King hatte lediglich Alkohol getrunken. Auch die Frage, in welcher Form er sich gewährt haben soll, ließ sich nicht klären. Sich am Boden befindend wurde King mehrfach getasert[5]. Ab diesem Moment startet die Videoaufnahme des Zeugen und Anwohners George Holliday, die die Szenen der Polizeigewalt auf drastische Weise dokumentiert (vgl. Fukurai et al 1994, 77)[6]. Die als Rodney King Beating Bekanntheit erlangten Szenen wurden von Holliday an den lokalen Nachrichtensender KTLA weitergegeben und am 4. März in den ganzen USA ausgestrahlt (vgl. Rosegrant 2000, 5). Eine weitere Besonderheit des Videos, neben der Tatsache eine der ersten Videodokumentationen von brutaler Polizeigewalt zu sein, liegt darin, dass das Video eines der ersten sogenannten viralen Amateuraufnahmen ist (vgl. Watson 2017)[7]. So wurde ein Fall von Polizeigewalt, der wahrscheinlich auf ähnlich Weise schon viele Male zuvor ohne viele Zeug*innen geschah, für viele Menschen sichtbar wurde (vgl. Dumm 1993, 179).

„This scene of police brutality inflicted on an African-American male was only unique because an amateur photographer caught it on videotape and subsequently released it to the media [...]“ (Yousman 2004, 57)

Die Reaktionen auf das Video reichten von Wut über Schockiertheit bis zum Wiedererkennen eigener Erfahrungen (vgl. Watson 2017). Auf den Aufnahmen – gut ausgeleuchtet durch die Scheinwerfer eines Helikopters – ist zu sehen, wie King wiederholt mit dem Schlagstock geschlagen wird. Mehrfach versucht sich der Misshandelte aufzurichten, woraufhin er erneut geschlagen wird. Insgesamt treffen King 33 Schläge mit Schlagstöcken sowie zahlreiche Tritte, bis er schließlich in Handschellen gelegt wird und in einem Streifenwagen abtransportiert wird.

Es wird ein Ermittlungsverfahren gegen die Polizisten* eingeleitet[8] und die Christopher Comission nimmt die Untersuchung des Falles auf. In deren am 9. Juli veröffentlichten Abschlussbericht wird eine Reform des LAPD sowie der Rücktritt des Polizeipräsidenten von Los Angeles, Daryl Gates, empfohlen (vgl. Rosegrant 2000, 7). Das LAPD stand zu diesem Zeitpunkt in Bezug auf ihr brutales Vorgehen bereits stark in der Kritik (vgl. ebd., 2).

„Los Angeles was a citiy renowed for a police department that routinely administered brutal force. Gunnar Myrdal argued that brutality by police officers was an essential component of white supremacy“ (Horne 2001, 390)

Am 16. März kam es zu einem weiteren Ereignis, das für die L.A. Uprisings von Bedeutung werden sollte (vgl. Afary 2009, 2). Die 16 jährige Afroamerikanerin Latasha Harlins wurde nach einer Auseinandersetzung um eine Flasche Orangensaft von der „koreanischen“ Ladenbetreiberin Soon Ja Du erschossen, die vermutet hatte, Harlins wolle die Flasche klauen. Auch dieser Vorfall wurde auf Video aufgezeichnet (vgl. Horne 2001, 395). Auf dem Video kann man erkennen, dass Harlins von hinten in den Kopf geschossen wurde (vgl. Rosegrant 2000, 8). Im anschließenden Prozess wurde Du am 15. November gegen den Spruch der Jury, die auf eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes plädiert hatte, lediglich zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt. Dies wurde von einer breiten Öffentlichkeit als ein unverhältnismäßig mildes Urteil wahrgenommen, zumal da es sich mutmaßlich um ein hate crime handelte.

Als am 26. November angekündigt wurde, dass die Verhandlung im Prozess um das Rodney King Beating in den mehrheitlich weißen Vorort Simi Valley verlegt werden würde (vgl. Horne 2001, 380)[9], gingen viele Beobachter*innen weiterhin von einer Verurteilung der vier Polizisten aus, da sich die Sachlage durch die Videoaufzeichnung als eindeutig darzustellen schien (vgl. Rosegrant 2000, 9). Am 29. April 1992 um 15:15 Uhr erging der Urteilsspruch bei dem drei der Polizisten in allen Anklagepunkten freigesprochen wurden und es im Fall des vierten Beamten zu einem „deadlock“, einer Blockade der Jury mit acht zu vier Stimmen, kam (vgl. ebd., 17).

„The verdict was a shock to most people, even if it was delivered from a white-dominated courtroom far from the city, because the beating was so clearly sadistic and unfair, and seen to be so. For more than a year much of America had watched it on TV, since an amateur video-enthusiast happened to film it.” (Jencks 1993, 79)

Die Freisprüche sorgten für einen Schock und Wut. Auch Los Angeles Bürgermeister Tom Bradley war von mindestens der Verurteilung Laurence Powells (dem vierten Polizisten) ausgegangen. Entsprechend u.a. dieser Einschätzungen war die Emergency Operations Organization (EOO) der Stadt nicht auf mögliche Ausschreitungen vorbereitet (vgl. Rosegrant 2000, 10f.).

Diese Konstellation an Ereignissen wird als Ausgangspunkt für die L.A. Uprisings gesehen (vgl. Afary 2009, 3). An der Ecke Florence und Normandie in South Central Los Angeles kam es zu ersten Ausschreitungen. Kurz danach kam es auch an anderen Stellen in South Central zu Unruhen (vgl. Jencks 1993, 82). Dabei spricht Norman Klein von parallelen Uprisings und keiner linearen Entwicklung (vgl. Klein 1992, 115). Nach sechs Tagen waren 52 Menschen getötet, 2380 verletzt und – abhängig von den Quellen – zwischen 10.000 und 16.000 verhaftet worden (vgl. Afary 2009, 44). Es waren 830 Gebäude in Brandt gesetzt worden und mehr als 2000 Geschäfte geplündert worden. Der Sachschaden wurde auf eine Milliarde US $ geschätzt (vgl. ebd., 4f.).

Von dem im Nachgang an die Ausschreitungen formulierten Anspruch mit sozialen Reformen und sozialer Hilfe sowie mit Law und Order Maßnahmen zu reagieren, fand lediglich der Law und Order Aspekt nennenswerte Verwirklichung. Afary bezieht sich dabei auf den Gefängnis-Komplex[10] und verweist auf einen Beitrag von Constance Rice für die Los Angeles Times vom 17.02.2000. Rice merkt dabei an, dass sich diese Entwicklung eindrücklich an der neuen statistischen Kategorie „out-migration to institutions“ erläutern lasse, mit der Häftlinge in Bezug auf die restliche Bevölkerung statistisch erfasst werden (vgl. ebd., 5). Eine weitere Folge sei eine verstärkte Politisierung der (zivilen) Gesellschaft in Los Angeles gewesen.

„On the one hand, the event served as a rallying point for conservative politicians who focused on crime and violence in Los Angeles to buttress their claims that residents of poor communities were morally inferior and should be subject to greater police surveillance and incarceration. These policies justified the reshaping of inner-city environments to suit the needs of neoliberal capitalism, encouraging the use of more repressive measures of control by the state and the building of more prisons. On the other hand, the rebellion ushered in a new generation of activists – both community activists and artists“. (ebd., 22f.)

2.2. Watts 1965

Cause a fire in the street
Ain't like a fire in the heart
And in the eyes of all these people

Don't you know that this could start“


(Trouble Every Day – The Mother of Invention, 1966)[11]

Am 11. August 1965 wurden die Afroamerikaner Marquette Frye und sein Bruder in Watts, einem Stadtteil von Los Angeles, im Rahmen einer Verkehrskontrolle angehalten und im Anschluss gewaltsam festgenommen. Ihnen war vorgeworfen worden alkoholisiert Auto gefahren zu sein. Während des Verhaftungsprozesses von Marquette stieß die Mutter der beiden hinzu. Unter anderem auch weil das Auto beschlagnahmt werden sollte, kam es zu einer Auseinandersetzung mit den Polizist*innen in deren Verlauf die umstehende Menge rasch anwuchs. In der zusehends eskalierenden Situation griffen die Beamt*innen zu verstärkter Gewalt.

„Marquette Frye apparently was hit in the head, and a shotgun was placed at his temple. The Fryes, mother and sons, were tossed into an officer’s car. Further inflaming the crowd was the rumour that an African American woman, Joyce Gaines – who was believed to be pregnant (she was not;[...]) – had been attacked by the police. Soon rocks, bottles, and sticks were tossed at the officers as they fled in their cars. From this spark grew a major conflagration that gripped the city for almost a week.“ (Horne 2001, 379)

In den folgenden drei Tagen und vor allem Nächten kam es zu Unruhen und Ausschreitungen in Watts, die zunehmend eskalierten. Nachdem zunächst hauptsächlich Steine und Flaschen auf Sicherheitskräfte geworfen worden waren, wurden bald Gebäude in Brandt gesetzt und Geschäfte geplündert. Die zunehmende räumliche Ausdehnung der Ausschreitungen beschränkte sich nicht ausschließlich auf den Stadtteil Watts, sondern bezog sich auch auf weitere Bereiche in Los Angeles, die vorwiegend von Afroamerikaner*innen bewohnt waren[12]. In den Stadtteilen Watts, Central, Alvalon, Florence, Green Meadow, Exposition und Willowbrook wurden Ausgangssperren verhängt (vgl. Theoharis 2006, 49). Erst nach insgesamt sechs Tagen und unter Einsatz der National Garde endeten die Unruhen (vgl. Horne 2001, 379). Dabei waren 34 Personen getötet, 1.032 verletzt und 3.952 verhaftet worden (vgl. Rustin 1966). Unter den Toten und Verhafteten waren fast ausschließlich Afroamerikaner*innen (vgl. Horne 2001, 377; Afary 2009, 44). Der Sachschaden wird von Horne auf 200 Millionen US $ und von Afary auf 40 Millionen bilanziert (vgl. ebd.).

In einem Artikel von 1966 berichtet Bayard Rustin, dass trotz der Zerstörungen in der eigenen Community die Ausschreitungen in Watts von Anwohner*innen als politisch relevant und teilweise sogar als Erfolg gewertet wurden. Dazu zitiert er einen jungen arbeitslosen Mann: „We won because we made the whole world pay attention to us. The police chief never came here before; the mayor always stayed uptown. We made them come“ (Rustin 1966). Diese Einschätzung unterstreicht er u.a. mit Verweis auf den Aspekt des Plünderns[13]. Laut Rustin gab es zahlreiche Berichte von Menschen, die verhaftet wurden, weil sie Gegenstände des alltäglichen Bedarfs, wie Möbel oder Küchenutensilien, geklaut bzw. sich angeeignet hatten. Sie hatten die Gelegenheit genutzt, grundlegende Bedürfnisse zu stillen, die ihnen ansonsten vorenthalten geblieben waren (ebd.). Daran anknüpfend möchte ich auf die Hintergründe der Ereignisse von 1965 und 92 eingehen, zu denen eben auch die ökonomischen Verhältnisse zählen.

2.3. Hintergründe


„I need to see a MD
And y'all motherfuckers giving me the third degree?
Look at the waiting room

It's filled to the rim like the county jail day room

Nobody gettin' help
Since we poor, the hospital it moves slow“

(Alive on Arrival – Ice Cube; 1991)


Im Song „Alive on Arrival“ vom im Oktober 1991 erschienenen Album Death Certificate schildert Ice Cube die Situation seines Alter Egos, das auf der Straße angeschossen wird und im darauf folgenden mit verschiedenen strukturellen Problemen sowie offenem und institutionellem Rassismus konfrontiert wird. In der zitierten Strophe beschreibt er, wie er, statt dringend benötigte medizinische Versorgung zu erhalten, auf die Liege mit Handschellen gefesselt und verhört wird. Aufgrund seiner Herkunft (dem Stadtteil South Central) und seines Äußeren (Hautfarbe und Kleidungsstyl) sowie der Art der Verletzung wird er mit Gang-Kriminalität in Verbindung gebracht. Dabei scheint es den ihn verhörenden Beamt*innen wichtiger zu sein, mögliche Erkenntnisse über Gangstrukturen zu erlangen, als sein Überleben. Das Krankenhaus ist unterversorgt bzw. überlastet und die Notaufnahme ähnelt dem Aufenthaltsraum eines Gefängnisses[14]. Das beschriebene Szenario bündelt ökonomische und stadtpolitische Momente mit Aspekten von Gewalt, institutionellem Rassismus und dem fatalen Gefühl dieser Situation ausgeliefert zu sein.

Der prekäre Zugang zu guter Gesundheitsversorgung für die überwiegend Schwarze Bevölkerung steht sinnbildlich für die gesellschaftlichen Verhältnisse in den USA. In der Betrachtung der Ausschreitungen – sowohl 1965 als auch 1992 – muss die Formation verschiedener Aspekte berücksichtigt werden. Unter anderem auch, weil sich die Ereignisse nicht auf einzelne Faktoren reduzieren lassen (vgl. Davis 1993, 142). Neben der Gesundheitsversorgung gehören hierzu insbesondere die ökonomische Situation, rassistische Verhältnisse, ungleiche Bildungschancen und damit einhergehend verschiedenen Formen von Gewalt (vgl. Yousman 2004, 58; Watson 2017). Ohne die Uprisings lediglich als Ausdruck oder Ergebnis der Summe dieser Aspekte verstehen zu wollen, ist es wichtig den Hintergrund der Ereignisse zu beleuchten. Gerald Horne merkt zum hier gespannten zeitlichen Bogen in „»Riot« and »Revolt« in Los Angeles, 1965 and 1992“ an: „Sadly, the passage of time from 1965 to 1992 starkly demonstrated that little had changed for African Americans in South Central Los Angeles“ (Horne 2001, 380). Über den Verlauf der Zeit bleiben einige Probleme weiterhin virulent. Horne spricht in diesem Zusammenhang auch von der Entwicklung eines „sense of historic injustice“ (ebd.), der sich aus gemachte Erfahrungen des Rassismus und der Diskriminierung gebildet hat.

In Bezug auf die ökonomischen Verhältnisse befand sich Los Angeles im Allgemeinen und South Central im Besonderen in einer Rezession mit zweistelligen Arbeitslosenquoten (vgl. Afary 2009, 2). Mit den großen Einschnitten und Umstrukturierungen in der Rüstungsindustrie – in den 60er Jahren im Nachgang an den Zweiten Weltkrieg und in den 90er Jahren nach Ende des Kalten Kriegs – kam es in Los Angeles zu einem fortschreitenden Prozess der Deindustrialisierung (vgl. Horne 2001, 392). Damit waren auch massenhafte Entlassungen verbunden.

„In the years between 1965 and 1992, high rates of unemployment and poverty continued to plague south Los Angeles. Though the city had produced numerous employment opportunities in government and in the defense, film, garment, and retail industries, African Americans still seemed unable to enjoy the fruits of that bounty.“ (ebd.)

Horne spricht in diesem Zusammenhang vom Entstehen einer „black underclass“, in der Prekarisierung und Perspektivlosigkeit zu einer Erosion der Community führten (vgl. ebd., 393). Der Prozess der Deindustrialisierung hatte zudem zu einer massiven Schwächung der gewerkschaftlichen Organisierung geführt. Dies hatte u.a. auch einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Uprisings, da das entstandene Vakuum von Straßengangs gefüllt worden war, die ihrerseits eine wichtige Rolle in den Ausschreitungen spielten (vgl. ebd., 386 f.)[15]. Mike Davis merkt in Bezug auf die Rolle der Gangs wiederum an, dass diese über die Ausschreitungen einen Transformations- und Politisierungsprozess durchlaufen haben (Davis 1993, 146). „But, even if the truce breaks down, for most of them, being a gangbanger is not longer the thing to be. Now the thing to be is, in some sense, a liberation fighter“. (ebd.)

Zudem kam es zunehmend zu Konkurrenz mit der wachsenden Zahl an Migrant*innen – größtenteils aus Lateinamerika und Ostasien (insbesondere Korea) – um Arbeitsplätze im sogenannten Niedriglohnbereich.

„There is also evidence that some employers had a preference for hiring undocumented immigrants who could be deported if they protested, as opposed to African Americans who were citizens with a reputation for protest and pro-union sentiments.“ (ebd.)

Unter anderem wird dies auch als Grund dafür genannt, dass 1992 viele koreanische Geschäfte geplündert wurden (vgl. Jencks 1993, 85). Hierzu kommt, wie bereits beschrieben, der Mord an Latasha Harlins. Der Mord an Latasha Harlins und das Rodney King Beating bzw. die jeweiligen Videoaufzeichnungen zogen beide wütende Reaktionen nach sich. Der brutale Zugriff bzw. Übergriff der Polizeibeamt*innen auf den Körper Schwarzer Menschen (bei vergleichsweise geringen Verstößen wie alkoholisiertem Fahren)[16] wurde dabei in Kontrast zu der geringen Strafe für den Mord an einem Schwarzen Mädchen gesehen. Beide Momente stehen exemplarisch für grundlegende Probleme. Lee Rainwater merkt hier in Bezug auf Watts 1965 an, wie sich diese Erfahrungen in einem verdichteten Moment in Wut auf die Verhältnisse umwandeln kann[17].

„By now the guilt or innocence of the culprits, and the manner in which the police treat them, are no longer that central. Instead, the focus is on the crowd members’ general feelings that they live in a world in which they are constantly held accountable to standards of justice which are not applied to others.“ (Rainwater 1970, 70)

Nicht nur das Ereignis als solches tritt in das Zentrum der öffentlichen Aufmerksam – nicht nur der einzelne Akt rassistischer Gewalt. Vielmehr wird es zur Chiffre für die weitere Konstellation, zu der das permanent gebrochene Versprechen auf bürgerliche Gleichberechtigung und –behandlung sowie die Fülle an gewaltvollen Erfahrungen gehören. Was Rainwater beschreibt ist die Verdichtung individueller bzw. vereinzelter Momente zu einem kollektiven und politischen Element. In einem Artikel zum 25-jährigen Jubiläum der Ausschreitungen von 1992 auf der Onlineplattform Okayplayer.com wird in diesem Zusammenhang vom „ghost of our past“ (Watson 2017) gesprochen. Zu diesem Geist gehören beispielsweise Erinnerungen an die Ermordungen von „Emmett Till, Medgar Evers, Fred Hamton and countless others“, die fast nie zu Verurteilungen führten (vgl. ebd.). Die Liste an ermordeten oder gewaltsam zu Tode gekommenen Schwarzen Menschen ist 25 Jahre später noch länger geworden und Endet auch heute, wenn es um die Ermordung von Treyvon Martin, Sandra Bland, Philando Castile, usw. geht, meist mit dem Verweis auf die vielen Ungenannten[18]. Der „ghost of our past“ zieht sich folglich bis in die heutige Zeit, in der es trotz gesellschaftlicher Veränderungen weiterhin tödliche rassistische Gewalt gibt.

Horne weist in einem weiteren historischen Bezug darauf hin, dass gerade in Watts viele Schwarze Menschen lebten, die aus dem Süden der USA migriert waren, wo sie massiver rassistischer Gewalt Ausgesetzt waren. Hierzu gehörten neben Jim Crow auch die grausamen Massaker – wie beispielsweise 1872 in Colfax und 1887 in Thibodaux (vgl. Horne 2001, 382)[19]. So hatten u.a. die Pogrome von Tulsa in Oklahoma von 1921 zu einer Migrationsbewegung in große Städte wie Los Angeles geführt (ebd., 384). Dort war die unmittelbare Lebensbedrohung zwar nicht so extrem bzw. unmittelbar, jedoch waren die Verhältnisse beispielsweise in Bezug auf ökonomische Diskriminierung ebenfalls massiv rassistisch geprägt. Die oben bereits beschriebene Arbeitslosigkeit und deren Effekte auf das soziale Gefüge stehen also in historischer Kontinuität und sind in direktem Zusammenhang mit rassistischer Diskriminierung zu sehen.

„The fact that Negro social scientists like E. Franklin Frazier and Kenneth Clark have shown that this pattern is typical among the Negro poor does not mean, then, that it stems from some inherent Negro trait or is the ineluctable product of Negro social history. If Negroes suffer more than others from the problems of family instability today, it is not because they are Negro but because they are so disproportionately unemployed, underemployed, and ill-paid.“ (Rustin 1966)

Ein weiterer konkreter Anhaltspunkt für rassistische Diskriminierung lässt sich für die Situation vor 1965 in der „California Proposition 14“ von November 1964 finden (vgl. ebd.). Diese sollte den „Rumford Fair Housing Act“ außer Kraft setzen, der im Jahr zuvor erlassen worden war (vgl. Horne 2001, 388). Der Rumford Act sollte es Wohnungsbesitzer*innen bzw. Vermieter*innen verbieten, Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Religion, Sexualität oder ähnlichem abzuweisen. Die Proposition 14 wiederum fügte der Kalifornischen Verfassung einen Zusatz bei, der den Rumford Act mit Verweis auf das Verfügungsrecht über Privateigentum wirkungslos machte[20]. 1967 wurde die Proposition 14 nach einem Urteil des United States Supreme Court wieder außer Kraft gesetzt. Ohne hierauf weiter eingehen zu können, zeigt sich doch deutlich, dass die Fragen des Wohnens ebenfalls von hoher politischer Relevanz ist und hier im Zusammenhang mit den Watts Uprisings zu sehen ist.


3. Polizeigewalt und Rassismus


„Nigga, and we hate po-po
Wanna kill us dead in the street fo sho'
Nigga, I'm at the preacher's door
My knees gettin' weak, and my gun might blow
But we gon' be alright“

(Kendrick Lamar – Alright, 2015)

Der Song „Alright“ des 2015 erschienenen Albums „To Pimp a Butterfly“ von Kendrick Lamar thematisiert u.a. rassistische Polizeigewalt und ihre Tödlichkeit. Diese Gewalt löst Wut und Hass aus. Lamar beschreibt, wie angesichts der Situation der Wille friedlich zu verbleiben schwach wird und bewaffneter Widerstand zu einer Option zu werden scheint. Er verortet diesen Kampf – sowohl ein äußerer um Leben und Tod als auch ein innerer um persönliche Integrität und Prinzipien – in eine lange Tradition des Widerstandes Schwarzer Menschen in den USA gegen Unterdrückung und Diskriminierung. Dabei kommt er auch auf „40 acres and a mule“ als Entschädigung nach dem Bürgerkrieg für das ökonomische Unrecht der Sklaverei zu sprechen. Ein Versprechen, das nie erfüllt wurde. Damit verweist er neben den materiellen und ökonomischen Dimensionen des Rassismus auch auf eine Debatte um Entschädigungszahlungen für erlittene Ausbeutung. Diese wird u.a. auch von der Black-Lives-Matter Bewegung vertreten. Das Video zu dem Song endet damit, dass Lamar von einem weißen Polizisten erschossen wird.

Der Song hat neben Auszeichnungen und sehr positiven Kritiken auch für Kontroversen gesorgt. Insbesondere aus rechten und konservativen Kreisen wurde Kritik laut. So nannte beispielsweise Geraldo Rivera in einem Kommentar auf Fox News Lamars Song „widerlich“ und fügte an: "Hiphop has done more damage to young African Americans than racism" (Rivera 2015).[21] Auch wenn diese Äußerung zunächst absurd und grotesk wirken mag, verweist sie doch auf verschiedene problematische Aspekte, wie beispielsweise die erschreckende Verharmlosung und Relativierung tödlicher rassistischer Gewalt. Kendrick Lamar antwortet auf die Kritik mit dem Verweis, nicht Hip Hop sei das Problem, sondern „our reality“. Darüber hinaus greift er die Berichterstattung von Fox News auf und verarbeitet sie in seinem Album DAMN.

Polizeigewalt spielt in den beiden betrachteten Uprisings (vgl. 2.1. und 2.2.) eine zentrale Rolle. Auch in vielen weiteren Ausschreitungen in den USA und darüber hinaus sind Fälle von Polizeigewalt Auslöser für Proteste (vgl. Rustin 1966; Castel 2009, 38; Fassin 2013, 9). Dabei sind Übergriffe, Misshandlungen, Schikanen oder gar Morde durch Polizist*innen keine vereinzelten Phänomene. Sie sind vielmehr immer wieder zu beobachten und bestimmen, wie oben beschrieben, ein kollektives Bewusstsein. Zu den häufigsten bzw. alltäglichsten Formen von rassistischen Übergriffen gehören Praktiken wie die „Stop-and-frisk“ Taktik, die besonders aus New York City bekannt ist, und andere Arten von Racial Profiling (vgl. KOP 2016, 15 f.). Aber auch exzessiver Einsatz von Gewalt bis hin zu Tötungen kommen immer wieder vor.

Didier Fassin erläutert in seinen Untersuchungen, wie sich das Verhältnis von Rassismus Betroffener zur Polizei darstellt[22]. Durch immer wiederkehrende Ausweis- oder Verkehrskontrollen, gewaltvolle Misshandlungen, etc. – als eigene Erfahrung oder von Angehörigen oder Freund*innen – wird die Polizei zu einer ständigen Bedrohung (vgl. Fassin 2013, 41). Diese Bedrohung bezieht sich letztendlich auf eine Gefahr für das eigene Leben[23]. In Bezug auf die Situation in South Central Los Angeles wird der Zustand der Bedrohung bzw. die Rolle der Polizei auch mit der einer Besatzungsmacht verglichen (vgl. Horne 2001, 391). Die Exekutivgewalt, die die Beamt*innen darstellen und vertreten sollen, bezieht sich auf eine Ordnung, die als gewaltförmig auferlegt empfunden wird. Gleichzeitig sieht Fassin in den sich ständig wiederholenden Kontrollen in Anlehnung an Althussers Theorie der Anrufung ein Moment der Subjektivierung. Es handelt sich also um ein Verhältnis der gleichzeitigen (gewaltförmigen) Unterwerfung und Subjektivierung (vgl. ebd., 7)[24].

Hieran knüpft auch Judith Butlers Beschreibung der Misshandlung Rodney Kings durch weiße Polizisten an (vgl. Butler 1993, 17). In diesem Zusammenhang verweist sie auf Franz Fanon, der erläutert, wie der Schwarze Körper sowohl als Gefahr als auch als verletzbar bzw. tötbar verstanden wird.

„The police are thus structurally placed to protect whiteness against violence, where violence is the imminent action of that black male body. And because within this imaginary schema, the police protect whiteness, their own violence cannot be read as violence; because the black male body, prior to any video, is the site and source of danger, a threat, the police effort to subdue this body, even if in advance, is justified regardless of the circumstances. Or rather, the conviction of that justification rearranges and orders the circumstances to fit that conclusion.“ (ebd., 18)

Beim Rodney King Beating spielten zudem die Videoaufnahmen eine zentrale Rolle, um diesen Fall von Polizeigewalt zu einem so vielbeachteten zu machen (vgl. 2.1.). Die Bilder des geschlagenen und misshandelten Körpers zeigen etwas, das vielen von Rassismus oder Rassifizierung Betroffenen aus ihrem alltäglichen Leben vertraut ist.

„When someone with a billy club and a gun tells you to behave yourself amid these terrible circumstances, he becomes a zoo keeper, demanding of you, as one of “these monkeys” (to use Chief Parker's phrase), that you accept abhorrent conditions. He is brutalizing you by insisting that you tolerate what you cannot, and ought not, tolerate.“ (Rustin 1966)

Die hier beschriebenen Verhältnisse sind dabei eben keine, die einfach ertragen werden könnten. Auch wenn sie in ihrer Alltäglichkeit eine normalisierte Form des Ausnahmezustandes darstellen, erregen sie Wut und stoßen auf Widerstand.

Im Kontext der USA sollte auch der historische Hintergrund der Polizei als „slave patrol“ weißer bewaffneter Männer berücksichtigt werden (vgl. Hadden 2001). In dieser Rolle fungierte die Polizei nicht als Institution zur Bekämpfung von Kriminalität, sondern sollte eine Bedrohung der herrschenden Ordnung abwenden. Bedenkt man den weiterhin vorherrschenden offenen und institutionellen Rassismus, der diese Ordnung prägt, stellt sich auch rassistische Polizeigewalt weniger als eine Ausnahme dar. Rassistische Polizeigewalt ist in Sinne von institutionellem Rassismus zu verstehen – nicht nur in den USA[25]. Horne verdeutlicht dies in besonders drastischer Weise anhand von Fällen tödlicher Polizeigewalt in Los Angeles und der Reaktion des Polizeipräsidenten des LAPD Daryl Gates auf diese.

„Between 1975 and 1982, for example, sixteen Angelenos died as a result of LAPD officers’ use of choke holds and other tactics of restraint; twelve of those were black. Chief Gates explained the disproportionate fatalities by surmising that African Americans were more susceptible to death from choke holds because they had a different physiology than that of »normal people.«“ (Horne 2001, 391).

Polizeigewalt steht also weder im konkreten Fall noch als strukturelles Phänomen für sich, sondern ist in Bezug zu weitreichenden rassistischen Verhältnissen und einer Hierarchisierung von Leben in der sozialen Ordnung zu sehen. In diesem Sinne ist sie mehr als nur ein Initialmoment der Uprisings.


4. Unpolitischer Krawall oder politischer Aufstand


„So when the dog bites
And when the beatings
And I’m feeling so sad

I simply remember all these kinds of things
And then I don’t fear so bad“


(Black Rage – Lauryn Hill 2014)


Der Song „Black Rage“ von Lauryn Hill wurde 2012 veröffentlicht und handelt von Wut und Zorn auf die rassistischen, diskriminierenden und nicht selten auch tödlichen Verhältnisse in den USA. Ihre Wurzeln und Auslöser findet diese Wut in einem weiten Rahmen, der maßgeblich durch die Geschichte der Sklaverei, Entrechtungen[26] und ökonomische Ausbeutung bzw. Diskriminierung bestimmt ist[27]. „Black Rage is founded on wounds in the soul“ (Lauryn Hill 2012). Der oben zitierte Refrain des Songs bezieht sich auf diese Wut und die offenen Wunden. Mit „dog bites“ und „beating“ (ebd.) ist darüber hinaus eine spezifische Form rassistischer Gewalt adressiert. Die Bisse der Polizeihunde und die Schläge (der Knüppel und Wasserstrahlen) stehen sinnbildlich für rassistische Gewalt durch die Polizei (vgl. 3.). Als weiterer historischer Bezug könnte hier exemplarisch die Bürgerrechtsbewegung Birmingham Campaign von 1963 dienen, bei deren Protestaktionen die Polizei äußerst brutal vorging und u.a. Hunde auf Menschen hetzte[28].

Der Refrain stellt eine Variation bzw. Interpretation des Songs „My Favorite Things“ aus dem Musical „The Sound of Music“ dar, in dem es heißt: „When the dog bites/ When the bee stings/ When I’m feeling sad/ I simply remember my favorite things/ And then I don’t feel so bad“ (My Favorite Things – Richard Rodgers & Oscar Hammerstein II 1959). Im Musical dient der Song dazu, Angst und Traurigkeit durch Gedanken an die schönen Dinge des Lebens zu vertreiben. Die Gefühle der Traurigkeit, Trauer und Niedergeschlagenheit und damit auch der Lähmung gegenüber der rassistischen Gewalt lassen sich für Lauryn Hill mildern, indem sie sich die weiteren Dimensionen des Rassismus vergegenwärtigt. Jedoch wirkt das nicht tröstend, sondern wandelt Trauer in Wut, wandelt Ausgeliefert-Sein in Handlungsfähigkeit. Hills Zugang ist nicht Versöhnung, sondern Empowerment. Der Aspekt der beschriebenen Wut bezieht sich dem entsprechend nicht einfach auf ein historisches Phänomen. Er hat zwar eine zeitliche Dimension und ist nicht ahistorisch, findet aber in den aktuell herrschenden Verhältnissen immer wieder eine Fortführung. Auch nach der Aufhebung der Jim Crow Laws und juridischer Antidiskriminierungsmechanismen gibt es de facto weiterhin rassistischen Ausschluss aus bürgerlichen Rechten. Auch wenn die Ausbeutung durch Sklaverei abgeschafft ist, gibt es weiterhin massive ökonomische Ausbeutung, die meist intersektionell in Zusammenhang mit Rassismus, Sexismus, etc. gedacht werden muss. Es besteht also weiterhin Grund zur Wut und es besteht weiterhin die Notwendigkeit der Emanzipation und des Widerstandes. Diese Konstellation halte ich für wesentlich, um die Ereignisse von 1992 in Los Angeles zu verstehen.

In einem Interview für die Reportage „The Heritage of Slavery“ von 1968 – und damit nur drei Jahre nach Watts – spricht Lerone Bennette Jr. über das Verhältnis der weißen und der Schwarzen bzw. POC Bevölkerung der USA vor dem Hintergrund der Sklaverei. Dabei benutzt er in Bezug auf die ökonomischen Verhältnisse die Metapher eines großen Hauses für die gesellschaftliche Konstellation. In einem Raum dieses Hauses befinden sich alle materiellen Güter und mit ihnen die weiße Bevölkerung. Die Tür zu diesem Raum ist verriegelt. In der Vorhalle des Hauses wiederum befinden sich Schwarze Menschen (bzw. der „Rest“ der Bevölkerung). Sie klopfen seit über 200 Jahren an die verschlossene Tür und bitten um Einlass, um Teilhabe. Doch die Tür bleibt verschlossen. Da sagt eine Person in der Vorhalle: „Ich denke, ich werde rausgehen einen Stein nehmen, das Fenster einschlagen und mir ein paar der (meiner) Dinge nehmen.“ Eine andere Person sagt wiederum: „Ich werde rausgehen, ein Streichholz nehmen und das Haus mit allem was drinnen ist, mich eingeschlossen, niederbrennen.“ Daraufhin erwidert eine dritte Person: „Wartet! Vielleicht sind diese Maßnahmen eines Tages notwendig aber jetzt noch nicht. Wir stehen hier und klopfen an die verschlossene Tür, die sich nicht öffnet, weil wir nicht die richtige Sprache sprechen. Deren Muttersprache [derer, die sich im verschlossenen Raum befinden] ist Macht [power]. Wenn wir alle unsere Positionen der Macht [toothpicks of power] zusammenbringen, können wir einen starken Rammbock formen, der die Tür auf die eine oder andere Art öffnen wird.“ (vgl. Bennett 1968, ab Minute 46) Die drei diskutierenden Personen vertreten paradigmatisch drei verschiedene Reaktionen auf rassistische Ausschließung und Diskriminierung.

In der Metapher lassen sich Ähnlichkeiten zu den Uprisings erkennen. Es finden sich die Elemente der gewaltvollen Aneignung vorenthaltener Güter wieder, die im diskursiv Rahmen der Uprisings oft als Plünderungen verhandelt wurden. Dabei gilt Plündern gemeinhin als unpolitischer Akt des Raubs und wird als Indiz für den vermeintlich fehlenden politischen Charakter der Ausschreitungen angeführt. Auch das Niederbrennen von Gebäuden, mit dem Risiko der eigenen Community Schaden zuzufügen, weißt Parallelen auf. Der Aspekt der Gewalt ist hier jeweils zentral. Er kann dabei auch in seinem destruktiven Charakter als Akt des Widerstandes verstanden werden. Rainwater zeigt, dass gerade auch die Zerstörung als politischer Ausdruck verstanden werden sollte. (vgl. Rainwater 1970, 73f.). Anders als im Beispiel der sich beratenden Personen und des rationalen Abwägens, lassen sich Ereignisse wie die Uprisings nicht im gleichen Sinne als bewusste oder koordinierte Aktionen verstehen. Die Metapher des Feuers, das sich ab einem gewissen Punkt nicht mehr kontrollieren lässt, ist auch hier hilfreich zur Illustration von Formen des gewaltsamen Widerstandes. In Bezug auf die Frage nach dem politischen Charakter kann gesagt werden, dass es sich weder um blinde Raserei handelt, noch um einen Aufstand mit einheitlichen Zielen/ Agenda oder einer Führung. Antonio Negri merkt zur Frage des politischen Charakters von Ausschreitungen und Uprisings in der Dokumentation „Für eine andere Welt“ an: „man kann in den Ausschreitungen [...] keine unmittelbaren Absichten in Bezug auf konkrete politische Ziele erkennen. Aber fast immer gibt es diese spontane Kraft des Aufstands, die nicht unbedingt negativ ist [...]. Nein es ist auch eine Kraft für etwas. Es gibt eine vitale Dynamik im Aufstand“ (Negri 2011, ab Minute 8:55).

Die meines Erachtens unbedingt als politisch zu verstehenden Uprisings, entsprechen keinem binären Begriff politischen Protestes oder Widerstandes. Es handelt sich also weder um einen unpolitischen Mob, noch um einen unmittelbaren Ausdruck eines Emanzipationsversuches. Damit kann ich keine Aussage über den konkreten Bewusstseinszustand der Betroffenen und Beteiligten machen. Doch unabhängig davon ist die Gewalt der Uprisings auch in einem politischen Sinne keine, die im Vorhinein unter Abwägung des Zweck-Mittel-Verhältnisses bewusst gewählt wurde. Betrachtet man vielmehr den Aspekt der Gewalt in Verbindung zu anderen Formen von Gewalt (z.B. durch die Polizei), fällt auf, dass schon die Frage, welche Gewalt als legitim gilt oder überhaupt als Gewalt gelesen wird, von hoher politischer Relevanz ist (vgl. 3.).

Die dritte Position in der Metapher des Hauses bezieht sich auf die hegemoniale Struktur, die im Gebäude herrscht. Erst wenn man die Sprache der Unterdrücker versteht, und damit versteht eine Gegenhegemonie zu organisieren, kann die Tür geöffnet werden. Dass dies auch gewaltvoll verlaufen kann, drückt das Bild des Rammbocks aus. Die Bündelung der „toothpicks of power“ muss dabei nicht durch eine zentrale und bewusst agierende Instanz, wie beispielsweise eine Partei, geschehen. Anders als in Bennettes Bild müssen sich die drei Positionen nicht ausschließen. Sie zeigen verschiedene Aspekte und Facetten in der Auseinandersetzung mit rassistischen Gesellschaftsverhältnissen. In Bezug auf die Uprisings kann vielleicht festgehalten werden, dass es sich weniger um eine sozialpolitische Bewegung als um einen politischen Konflikt handelt. Die weitere politische Dimension erschöpft sich dementsprechend auch nicht im konkreten Moment der Ausschreitungen – sie findet sich dort eher verdichtet.

Für eine weitere Untersuchung des Themas der Sprache der Unterdrücker und Unterdrückten wäre Spivaks Konzept „subalterner Artikulation“ sicher von großem Interesse (vgl. Spivak 2008). Ein Anerkennen des (proto-)politischen Charakters der Uprisings ist seinerseits bereits ein wichtiger Aspekt in der Frage, wer sich wie politisch artikulieren kann. Auch die Musik dieses Mixtapes kann im Sinne einer politischen Artikulation verstanden werden. Vielen Künstler*innen und Interpret*innen ist über ihre Musik ein Zugang zu Sphären des politischen Diskurses möglich. Wenn, wie oben erörtert (vgl. 3.), Geraldo Rivera Kendrick Lamar eine qualifizierte Beteiligung am politischen Diskurs abspricht, kann dies in gewisser Weise als paradoxer performativer Akt verstanden werden. Die politische Artikulation und wie sie gelesen wird ist also umkämpft. Cornel West merkt hierzu an, dass ein neuer Modus der Artikulation gefunden bzw. möglich werden muss. Anderenfalls sei mit weiteren und verheerenderen Ausschreitungen zu rechnen. „Either we learn a new language [...] or the fire this time will consume us all“ (West 1993, 260). Bis dahin gilt mit Martin Luther King Jr: „A riot is the language of the unheard“ (King 1966).

5. Quellenverzeichnis


5.1 Literaturverzeichnis:

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Spivak, Gayatri Chakravorty (2008): Can the Subaltern Speak? Postkolonialität und subaltern Artikulation; Wien: Turia + Kant

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5.2 Internetquellen:

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Kendrick, Lamar (2015): Alright; url: https://www.youtube.com/watch?v=Z-48u_uWMHY (Zugriff: 19.09.2017)

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King Tee, Yo-Yo, MC Eiht, Cypress Hill, Da Lench Mob, Kam, Threat, Ice Cube & DJ Pooh (1992): Get the Fist; https://www.youtube.com/watch?v=YP17aD_5OEc (Zugriff: 18.09.2017)

Negri, Antonio (2011): Für eine andere Welt. Eine Dokumentation von Samuel Luret & Daniel Vercarmer; url: https://www.youtube.com/watch?v=iVaBjG4ejpc (Zugriff: 29.09.2017)

Rivera, Geraldo (2015): Geraldo Rivera rips Kendrick Lamar’s BET Award set; url: https://www.youtube.com/watch?v=U3_hi8eWdbY (Zugriff: 29.09.2017)

Rodgers, Richard & Oscar Hammerstein II (1959): My Favorite Things; url: https://genius.com/Richard-rodgers-my-favorite-things-lyrics (Zugriff: 29.09.2017)

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Watson, Elija C. (2017): Giving violence a chance: the L.A. Riots + Black Anger in America; url: http://www.okayplayer.com/originals/giving-violence-a-chance-the-la-riots-black-anger-in-america.html (Zugriff: 17.09.2017)

Watts Prophets (1971): What is a Man; url: https://www.youtube.com/watch?v=bDfyZD4slkY (Zugriff: 25.09.2017)


[1] In den jeweiligen Begriffswahlen schwingen schon Perspektiven auf die Ereignisse mit. Handelt es sich um Randale, Unruhen, Ausschreitungen oder um einen Aufstand? Wo die genauen begrifflichen Unterschiede verlaufen, werde ich in dieser Arbeit nicht auflösen können. Während Robert Gooding-Williams von „urban uprising“ spricht (Gooding-Williams 1993) und Kamran Afary von „Los Angeles Rebellion of 1992“ (Afary 2009), wählen Elija C. Watson und ein Bericht der Kennedy School of Government den Begriff „Los Angeles Riot“. Cornel West wiederum benutzt den Begriff „upheaval“ (West 1993, 255). Daher werde ich versuchen mich vorerst begrifflich nicht festzulegen, um dann im Fazit (vgl. Kapitel 4.) eine Aussage über den Charakter der Ereignisse machen zu können.
Im Folgenden werde ich also nicht immer einheitlich und unter Bezug auf die jeweiligen Autor*innen hauptsächlich von Uprisings bzw. allgemeiner von Aufruhr oder Ausschreitungen sprechen.

[2] Hierbei sollen die verschiedenen Situationen nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden. Ähnlich ist ihnen zunächst die äußere Form zu der gewaltvolle Ausschreitungen gehören.

[3] Damit beziehe ich mich auf die spezifische Situation der USA auch in historischer Hinsicht nach Ende des Bürgerkrieges 1865. Nicht gesagt werden soll, dass es nicht weiterhin quasisklavische Verhältnisse in den USA und darüber hinaus gab und gibt. Angela Davis verweist hierauf in „Die Bedeutung der Emanzipation für die schwarze Frau“ (Davis 2016, 200-213).

[4] Phencyclidin auch bekannt als Angel Dust ist eine Droge, die dosisabhängig unterschiedliche Wirkungen haben kann. Zu den möglichen Effekten gehören auch Gefühle von Unverwundbarkeit. Die Berichte von Fällen aggressivem Verhaltens unter PCP-Einfluss gelten mittlerweile als Ausnahmen.

[5] Ein Taser ist ein Elektroschocker, der an Kabeln hängende Projektile in eine Person schießt und ihr darüber Schmerzen zufügt bzw. sie bewegungsunfähig macht. Taser gelten als „nicht-tödliche“ Waffen, was jedoch unter Vorbehalt zu betrachten ist. Zum einen sind zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen es doch zum Tode kam. Zum anderen sollte ihre „Nicht-Tödlichkeit“ nicht die Gefährlichkeit dieser Waffe relativieren. Vielmehr scheint dieser Aspekt zu einem Vermehrten Gebrauch der Waffe zu führen.

[6] vgl.: https://www.youtube.com/watch?v=sb1WywIpUtY (Zugriff: 20.09.2017)

[7] Viral bezieht sich hier auf das hohe, ab einem gewissen Punkt unkontrollierte, Verbreitungsverhalten des Videos. Ein Phänomen das seit dem Aufkommen von Plattformen wie YouTube oder Vimeo deutlich häufiger zu beobachten ist.

[8] Am 14.03.1991

[9] In dem Vorort lebten viele Beamt*innen des LAPD (vgl. Rosegrant 2000, 8). Die Jury war mehrheitlich weiß und ihr gehörte kein*e Afroamerikaner*in an (vgl. Yousman 2004, 57).

[10] Mit Gefängnis-Komplex ist hier der sogenannte Prison-industrial Complex gemeint, in dem seit den 1980er Jahren neben einer zunehmenden Privatisierung und wirtschaftlichen Erschließung des Strafvollzugs die Zahl der Strafgefangenen massiv anstieg. Diese Entwicklung wird historisch in engem Zusammenhang mit dem „war on drugs“ gesehen, der insbesondere auf die Amtszeit von Ronald Reagan zurück geht.

[11] Der Song „Trouble Every Day“ der Gruppe The Mother of Invention geschrieben von Frank Zappa entstand unter den Eindrücken der medialen Berichterstattung über die sogenannten Watts Riots von 1965. In dem Song greift Zappa verschiedene Aspekte der Ausschreitungen auf und geht in dem oben genannten Zitat auf das Verhältnis von Feuer in der Straße und der Wut durch Unterdrückung und Diskriminierung. Während ersteres sich wieder löschen lässt, ist das Feuer der Wut nicht einfach mit Wasser zu löschen. Hier findet sich auch das Motiv des Feuers wieder, das wir bei den Watts Prohpets gehört hatten. Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=girnJH7tvpM (Zugriff: 23.09.2017)
Der Song ist anders als z.B. „What is a Man“ nicht Teil des Mixtapes. Dies liegt zum einen daran, dass der Schwerpunkt des Songs sich eher um die mediale Dimension der Ausschreitungen dreht und dabei einen anderen Fokus setzt als ich ihn in dieser Arbeit.

[12] vgl. „The term ‚Watts‘ serves as a social demarcation of black South L.A. – not simply the neighborhood called Watts, where only 9 percent of the city’s African American lived in 1960, but a culturally foreign black Bantustan encompassing the entirety of poor black L.A.” (Theoharis 2006: 30).

[13] Der Aspekt des Plünderns ist zentral in der diskursiven Verhandlung der Ausschreitungen und der Frage nach dem politischen Charakter dieser. Vor diesem Hintergrund werde ich in Kapitel 4 kuz darauf zurück kommen.

[14] Das von Ice Cube genannte MLK – Martin Luther King Jr. Community Hospital – liegt im Süden von Los Angeles und gilt als notorisch unterversorgt.

[15] Die Rolle der Gangs spielte auch in der Berichterstattung über die Uprisings eine wichtige Rolle, indem ihnen die Hauptverantwortung für die Gewalt zugeschrieben wurde. So habe es sich um einen „pool of young men hanging around the street corners in South Central Los Angeles;“ gehandelt. „The resulting explosion of human energy lacked political focus rather than serving as the vanguard of an insurrection against abominable social conditions” (Sears 1994: 248). Das Infragestellen eines politischen Charakters soll in Kapitel 4. thematisiert werden.

[16]Auf den Aspekt der Polizeigewalt werde ich im Folgenden noch ausführlicher eingehen (vgl. 3.).

[17]Dabei ist zu betonen, dass große Teile des „Schwarzen Protestes“, gerade in Bezug auf die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre, friedlich waren (vgl. Rustin 1966).

[18] Vgl. hierzu African American Policy Forum Report, 2015

[19] Rassistische Gewalt und Jim Crow waren nicht nur im Süden der USA weitverbreitet, dort aber in massiver Form. Das Thema des Rassismus im Süden kann hier nicht ausreichend erörtert werden. Mir geht es an dieser Stelle in Anlehnung an Horne hauptsächlich um die Hoffnung, dem massiven Rassismus teilweise entgehen zu können, die mit der Migration in große Städte verbunden war, und der Enttäuschung dieser Hoffnung.

[20] Vgl.: „Neither the State nor any subdivision or agency thereof shall deny, limit or abridge, directly or indirectly, the right of any person, who is willing or desires to sell, lease or rent any part or all of his real property, to decline to sell, lease or rent such property to such person or persons as he, in his absolute discretion, chooses.“ (Cal. Const. art. I, § 26)

[21] Vgl.: https://www.youtube.com/watch?v=U3_hi8eWdbY (Zugriff: 29.09.2017)

[22] Dieses Verhältnis betrifft auch weitere Gruppen präkarisierter und marginalisierter Menschen.

[23] Eine Bedrohung für das Leben subalterner und von Rassifizierung betroffener Menschen. Also im dopelten Sinne: Bedrohung für den Individualkörper und in Bezug auf die Bevölkerung und entsprechende Ausschlussmechanismen.

[24] „On the one hand, it proceeds by „subjection“ (the individual submits to domination, in this case that of the police), but, on the other, it is a matter of „subjectification“ (the individual constructs himself through this identification, in this example on the basis of the social position to which he is assigned). The political subject is therefore the product of this dialectical relationship of subjection and subjectifiaction, through which the individual is assigned a place which he can either recognize as his own, or reject.“ (Fassin 2013, 7)

[25] „Institutioneller Rassismus beschreibt nicht nur den Ort, an dem Rassismus auftritt, sondern auch die Art und Weise, in der er dort stattfindet. Der Begriff weist darauf hin, dass Rassismus in die Institutionen eingeschrieben ist, also sich systematisch in ihren Praktiken und Anordnungen organisiert. Dabei ist es zweitrangig, inwieweit Akteur_innen innerhalb der Institutionen absichtsvoll handeln oder nicht. Ob intendiert oder nicht: Im Effekt stabilisieren und legitimieren die institutionalisierten Routinen die Ungleichheitsverhältnisse.
Geht es um Strafverfolgungsbehörden bezeichnen wir Prozesse des institutionellen Rassismus als rassistische Kriminalisierung. Kriminalisierung kann verstanden werden als „staged process that manipulates sanctions by defining disturbances [...] as totalizing narratives of trouble that warrant closure, containment, and coercon“ (Visano 2002, zit.n. Tator/Henry 2006: 31) Außer den Strafverfolgungsbehörden erhalten auch andere Institutionen – einschließlich der Medien – ein quasi pathologisches Verständnis von Straffälligkeit aufrecht, in dem Hautfarbe, Nationalität Herkunft, Religion und Sprache rassialisiert sind und als Zeichen für eine Sicherheitsbedrohung gelten“ (KOP 2016,13).

[26] Die rechtliche Diskriminierung und Entrechtung Schwarzer Menschen, People of Colour, und weiterer rassifizierter Menschen, auf die Lauryn Hill konkret verweist, bezieht sich u.a. auf die Jim Crow Laws,. Das heißt jedoch nicht, dass damit ausschließlich eine historisch abgeschlossene Periode postsklavisitischer Ordnung gemeint sei. Die rechtliche Diskriminerung setzt sich weiter fort. Vgl. http://www.blackpast.org/timelines/african-american-history-timeline-1800-1900 (Zugriff: 27.09.2017)

[27] Zur rassistischen Diskriminierung in Bezug auf die Arbeitslosenzahlen, die auch schon in Kapitel 2.3. thematisiert wurden, vgl. http://www.pewresearch.org/fact-tank/2013/08/21/through-good-times-and-bad-black-unemployment-is-consistently-double-that-of-whites/ (Zugriff 28.09.2017)

[28] Das Bild des High School Schülers Walter Gadsden, der im Rahmen von Protesten von einem Polizeihund attackiert und gebissen wird, wurde am 4. Mai 1963 in der Ney York Times veröffentlich und kann hier sinnbildlich für rassistische Polizeigewallt gesehen werden.
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Zitiervorschlag: Lauer, Jan-Lukas (2018): To Throw Another Log on the Fire. Ein Mixtape in Betrachtung der L.A. Uprisings von 1992, online unter: https://beyonce-seminar.blogspot.com/2018/04/to-throw-another-log-on-fire-ein.html

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